Krieg belastet WTO-Runde

Welthandel: Die Verhandlungen über die Liberalisierung der Agrarmärkte und der Dienstleistungen stocken. Der Fahrplan ist so kaum noch einzuhalten

BERLIN taz ■ Die Liberalisierung des Welthandels schreitet schleppend voran. Gestern verstrichen zwei Fristen: Zum einen hätte die Europäische Union der Welthandelsorganisation (WTO) mitteilen müssen, in welchen Bereichen sie bereit ist, den Handel mit Dienstleistungen zu liberalisieren. Zum anderen konnten sich die EU, Japan und die USA nicht auf einen ersten Entwurf für ein neues Agrarabkommen einigen. Zwar dauerte die Tagung zu Redaktionsschluss noch an, doch gingen Teilnehmer fest von einem Scheitern auch der gestrigen Verhandlungen aus.

Dass das EU-Papier mit den Vorschlägen zur Liberalisierung im Dienstleistungsbereich gestern nicht den Weg zur WTO in Genf nahm, liegt an den Bedenken einiger Mitgliedsländer – darunter Deutschland, Frankreich und Belgien. Alle drei haben Probleme mit der geplanten Erweiterung der Freizügigkeit für ausländische Arbeitnehmer. „Ich möchte gar nicht wissen, zu welchen Bedingungen Leute aus Entwicklungsländern dann bei uns arbeiten“, sagte die SPD-Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk der taz. Zumal man die Zuwanderung von Arbeitskräften bei 4,7 Millionen Arbeitslosen nicht auch noch erhöhen müsse.

Aus dem Büro des EU-Handelskommissars Pascal Lamy hieß es gestern, man wolle nun weiterverhandeln, „bis sich alle einig sind“. Als neue Frist werde der 14. April angepeilt.

Weiterverhandelt wird auch das Agrarabkommen. Hier streiten die EU und Japan mit den USA. Der bisherige Vorschlag lautet, die Industrieländer sollten zwar Exportsubventionen und Importzölle für Agrarprodukte erheblich senken, wettbewerbsverzerrende Maßnahmen wie Marktstützungspreise blieben aber bestehen.

Mit dem Scheitern der Gespräche wird immer unwahrscheinlicher, dass zwei weitere Fristen eingehalten werden: Der Agrarentwurf sollte bis zum WTO-Ministertreffen im September stehen und das Abkommen über die Liberalisierungen im Dienstleistungsbereich 2005 in Kraft treten.

In Deutschland befürchten Wirtschaftsexperten zudem, dass der Irakkrieg die Verhandlungen negativ beeinflusst. „Der US-Alleingang belastet die nächste WTO-Runde“, meint Thomas Hueck von der HypoVereinsbank. Denn: EU und USA haben ohnehin grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen von liberalisierten Märkten. Das politische Eis zwischen den wichtigsten EU-Agrarstaaten Deutschland und Frankreich auf der einen und Washington auf der anderen Seite verstärkt den Konflikt womöglich. Auch drohen die USA, Importe von Kriegsgegnern zu boykottieren. Das würde massiv gegen die Regeln der WTO verstoßen. „Im Extremfall kann sich so etwas bis zum Handelskrieg ausweiten“, warnt der Chefsvolkswirt der Allianz, Michael Heise.

Ganz anders die Einschätzung von Bundesagrarministerin Renate Künast. Die Grüne reiste letzte Woche in die USA, um für die deutsche Position zu werben. Trotz des politischen Streits habe man in Washington den Eindruck gewonnen, dass die USA großes Interesse an einem gemeinsamen Agrarentwurf hätten, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. KATHARINA KOUFEN