Besser, lieber, weiter lesen

An der Gesamtschule Bergedorf ist die Pisa-Studie nicht in der Schublade verschwunden. Eine neue Bibliothek soll die lesemüden Schüler an die Bücher bringen. Das Rezept ist rekordverdächtig

von Anne Schemann

Die alte Bibliothek hat gestunken. „Es hat so gemüffelt, nach alten Büchern, das war nicht schön“, erklärt Zehntklässlerin Janna Busack, und der Ekel steht ihr ins Gesicht geschrieben. Dr. Dirk Hagener, Direktor der Gesamtschule Bergedorf, musste sich also was einfallen lassen, um das Leseklima an seiner Schule zu verbessern. Die Idee lag auf der Hand: Eine neue Bibliothek sollte her, die Lust macht aufs Lesen, groß, hell und gemütlich.

Leichter gedacht als getan. Denn wie der schülerfreundliche Lesesaal genau aussehen sollte, wusste Hagener auch nicht. Deshalb holte er sich professionellen Rat bei der Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Ein Semester lang betreuten Studierende des Fachbereichs Bibliothek und Information das Projekt – und entsorgten erstmal die alten Schinken. „Es gab sogar ein Buch mit dem Titel: Endlich 60!“, stöhnt Professorin Birgit Dankert. Überrascht hat sie das nicht: „In diesem Punkt sind wir ein Entwicklungsland, nur an zehn bis 15 Prozent der deutschen Schulen gibt es überhaupt eine Bibliothek.“

Was an der Gesamtschule Bergedorf fehlte, war vor allem Geld für neue Bücher. Superlative können helfen, gute Ideen auch gut zu verkaufen. Deshalb hat der Schulleiter einfach mal nachgeschlagen, im Guinness-Buch der Rekorde: Das kleinste Buch, das dickste, das schwerste – was es noch nicht gab, war die längste gelesene Bücherreihe. Also mobilisierte er seine Schüler, über die Weihnachtsferien ein paar dicke Bücher zu lesen. Und sich dabei „sponsern“ zu lassen: Eltern und Verwandte spendeten einen zuvor vereinbarten Pauschalpreis pro gelesenem Buch. Lisa Eijking aus der Klasse 6a hat da der sportliche Ehrgeiz gepackt: „Ich hab gesagt: Mama, nimm dir für die Ferien nichts vor, ich will lesen.“ 15 Bücher hatte sie am Ende geschafft – interner Schulrekord. Auch Janna Busack ließ sich nicht lumpen und hat sich ihren Beitrag zur neuen Bibliothek schwer verdient: „Vier mal hab ich das Buch in die Ecke geschmissen, weil ich‘s so doof fand“, gibt sie zu. Aber als am 26. Januar der Zollstock angelegt wurde, stand Jannas Buch dann doch mit in der Reihe. 22,75 Meter lasen Schüler und Lehrer zusammen, in Büchern: 873.

Ob es mit dem Eintrag ins Guinnessbuch klappt, steht zwar noch nicht fest, gelohnt hat sich das „Meter-Lesen“ aber auf jeden Fall: Rund 2.000 Euro Spenden, und die Haspa finanziert die Leseausweise. Auch sonst nimmt die Bibliothek langsam Gestalt an. Gut riechen tut es bereits – nach Teppichboden und neuen Regalen. „Das wird die modernste Schulbibliothek Hamburgs“, verspricht Hagener stolz. Bis zum Sommer soll alles fertig sein, mit Computerecke und einer flauschigen „Lesehöhle“. Hinter der Theke werden dann Eltern sitzen und ehrenamtlich die Bücher verleihen.

Noch fehlen allerdings ungefähr 3.000 Euro – nicht zuletzt, um die Regale zu füllen. Und dort wird nicht nur die höhere Literatur Platz finden: „Es soll auch moderne Zeitschriften geben, Bravo, Spiegel und Stern“, verrät der Schulleiter. Darauf freut sich Zehntklässler Johannes Rippin besonders: „Da muss ich nicht mehr extra zum Arzt gehen.“ Der Direktor hofft, dass die Schüler so die Berührungsangst mit Büchern verlieren, dem gleichen Zweck sollen kleine Klassenbüchereien dienen.

Und das nächste Großprojekt hat Hagener auch schon im Kopf: ein Wintergartenanbau als Studienbereich, noch luftiger und heller, noch mehr Lesefreude. Und wie war das mit dem Verkaufen von guten Ideen? „Im Sommer machen wir einen Flohmarkt, um Sponsoren zu werben. Da wollen wir den längsten Büchertisch Hamburgs aufstellen.“