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Keine Muttertagsgeschenke?

Das Weiterbildungsstudium von Uni und Kirche muss verkrustete Denk-Schemata aufbrechen – und damit bei Kindern und Erzieherinnen die Neugier auf Neues wecken. Auch auf Eltern kommt Umdenken zu: Statt Geschenken gibt‘s neugierige Kinder

taz: Die Evangelische Kirche legt ab Sommer gemeinsam mit der Bremer Universität ein Weiterbildungsstudium für Erzieherinnen und GrundschullehrerInnen auf. Was bietet Ihr Ansatz in der Weiterbildung für Grundschullehrerinnen? Kirsten Hanschen, Fortbildungsreferentin des Landesverbandes Ev. Kindergärten, Bremen: Er ermöglicht, ein ganzheitliches Bild vom Kind zu entwickeln – und eine eine präzisere Vorstellung davon, wie Kinder lernen. Jetzt haben die beiden Berufsgruppen zwar viel gemeinsam, aber unterschiedliche Vorstellungen davon, wie Kinder lernen beziehungsweise was die Rolle der Pädagogin ist. Lehrerinnen sehen ihre Aufgabe stärker im Stoff vermitteln. Für beide Bereiche steht aber an, andere Lernformen zu entwickeln und dadurch auch den Übergang in die Grundschule zu erleichtern.

Seit den Schulleistungstests werden an Erzieherinnen höhere Ansprüche gestellt. Welche Situationen wird es nach der Weiterbildung in Kitas nicht mehr geben?Gruppen, in denen zehn Kinder gleichzeitig mit der gleichen Schablone das gleiche Bild malen oder ausschneiden. Oder in denen Kinder mit den gleichen Mitteln in der gleichen Zeit die gleiche Laterne basteln.

Warum gibt es die noch?Das gibt es glücklicherweise schon viel weniger. Viele Erzieherinnen haben sich ja weiterentwickelt und fortgebildet. Aber es gibt immer die Erwartung, dass etwas produziert wird im Kindergarten – übrigens auch bei Eltern, die daran oft messen, ob im Kindergarten gut gearbeitet wird. Das ändert sich aber allmählich. Durch die Schuluntersuchungen haben Eltern andere Ansprüche an Bildung entwickelt und wollen jetzt, dass der Kindergarten gut auf die Schule vorbereitet.

Keine Muttertagsgeschenke also – aber was stattdessen?Kinder, deren Neugier gefördert worden ist. Kinder, die gelernt haben, Dinge von verschiedenen Seiten zu begucken und auch zu hinterfragen.

Das klingt nach einer großen Anforderung an Erzieherinnen, die ja selbst so eine Art von Erziehung nie erlebt haben – weder als Kind noch in der Ausbildung.Das ist der Hauptanlass für unser weiterbildendes Studium. Wir gehen davon aus, dass Erzieherinnen das nicht „mal so eben“ umsetzen. Es wird ein Umlernprozess, bei dem die erwachsenen Lerner Unterstützung brauchen, damit sie neue Bilder entwickeln können.

Wo sind Erzieherinnen dabei besonders gefordert?Mit der bisherigen Ausbildung fällt es Erzieherinnen schwer, Dinge zu verallgemeinern oder vom Allgemeinen auf das Konkrete herunterzubrechen. Erzieherinnen arbeiten aber mei st sehr praktisch. Daran wollen wir anknüpfen: Wir wollen die Praxis der Erzieherinnen mit neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen verbinden, ohne dass das alles ins große Theorie-Studium mündet. Diese Verbindungsleistung hinzukriegen wird für die Erzieherinnen aber sicher einer der Knackpunkte. Ein Beispiel aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich: Das klassische Wasserprojekt beispielsweise wird in vielen Kindergärten gemacht. Ein „Aha-Erlebnis“ für alle Seiten könnte sich daraus ergeben, dass Erzieherinnen erklären können, was sie tun – und dabei auch die Bedeutung für die kindliche Entwicklung kennen. Oft spüren Erzieherinnen sehr gut, was Kindern Spaß macht, aber was dahinter steckt, bleibt ihnen unklar. Ihnen ist nicht bewusst, welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten sie damit vermitteln können oder wie sie Kinder anregen, den Dingen mit anderen Experimenten weiter auf den Grund zu gehen.

20 Kinder zum eigenständigen Forschen aufzufordern – da werden Sie Erzieherinnen auch in Sachen Selbstschutz ausbilden müssen, oder?Die Rahmenbedingungen müssen natürlich verbessert werden. Menschen fortzubilden und sie an einen Arbeitsplatz zurückzuschicken, wo sie dann frustriert werden, weil sie nichts umsetzen können, das darf nicht sein. Wir bauen weiter darauf, dass es eine qualifizierte Verstärkung in den Kindergärten gibt.

Wer bewirbt sich eigentlich heute auf Erzieherinnenstellen? Viele junge Menschen ergreifen diesen Beruf leider nicht, weil sie keine Perspektiven sehen. Andere entwickeln sich weiter – aber dann raus aus dem Beruf in ein Studium. Wir streben deshalb eine Spezialisierung innerhalb der Kitas an, so dass es Facherzieherinnen gibt, die über die Gruppenarbeit hinaus Schwerpunkt- und Förderaufgaben wahrnehmen oder auch intern fortbilden.

Alle reden neuerdings über Pisa, Iglu und mithin Leistung im Kindergarten. Kann das nicht auch schädlich sein?Ich sorge mich am meisten um die Eltern, die Druck spüren und an die Kindergärten oder Kinder weitergeben, wobei die Vorstellungen von „Leistung“ ja sehr unterschiedlich sind.

Fürchten Sie nicht, dass dieses deutsche Gruppieren nach stärkeren und schwächeren Kindern unter dem Leistungsaspekt jetzt auch Kindergärten erfasst?Das wäre nicht sinnvoll. Wir haben seit 20 Jahren sehr gute Erfahrung mit heterogenen Gruppen – wie die skandinavischen Länder auch. Vorstellbar wäre jedoch, Interessensangebote zu machen oder in der Bewegungs- und Sprachförderung Angebote zu verstärken. Aber die Kinder nach scheinbar gleichen Gruppen auszusortieren, das wäre ein weiter Schritt zurück.

Fragen: Eva Rhode

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