taz berlinale Die Taschenfrage

Gut abgehangen

Pech gehabt. Eine Tasche bekommt man nur, wenn man auch ein Pressefach hat, und dazu gehört bei weitem nicht jeder der 3.500 Journalisten, die sich für die Berlinale angemeldet haben. Die Mehrzahl muss mit einem schlichten grauen Schlüsselband vorlieb nehmen, das man auch als einfacher Berichterstatter bekommt. Ein untersetzter junger Filmkritiker, dem die Haare über unzählige Pressevorführungen hinweg schon grau geworden sind, hat sich jedoch zu einem modischen Protest gegen dieses Zwei-Klassen-System entschieden und trägt zu seiner Kunstlederjacke die Berlinale-Tasche aus dem Jahr 2000. Schlicht, schön und etwas abgenutzt zieht sie die Blicke der Wartenden auf sich, die in ihrem Kollegen einen Trendsetter vermuten – und sich insgeheim überlegen, ob sie nicht auch das eine oder andere gut abgehangene Presseaccessoire in ihrem Schrank haben. Der Markt für diese Retro-Artikel ist nämlich einen Tag nach der Eröffnung geradezu leer gefegt. Bei Ebay findet sich derzeit nur eine einzige Berlinale-Tasche (Jahrgang 2003), die bei Redaktionsschluss bereits die 20-Euro-Marke überschritten haben dürfte. Die gute Nachricht ist allerdings, dass die von den Berliner Lokalzeitungen beschworene Exklusivität der Berlinale-Partys nur ein Gerücht ist. Einladungen lassen sich im Internet recht günstig ersteigern: „Sollten Sie mehrere VIP-Karten benötigen, melden Sie sich einfach per Email …“ KOLJA MENSING