Fieberhafte Suche nach einer neuen Regierung

Lettlands Premierminister Einars Repse tritt nach 15-monatiger Amtszeit zurück. Massive Proteste gegen Schulgesetz

STOCKHOLM taz ■ In Lettland wird eine neue Regierung gesucht. Am Donnerstagabend hat der bisherige Ministerpräsident Einars Repse nach 15 Monaten im Amt seinen Rücktritt erklärt. „Alles ist in freiem Fall“, begründete er diesen. „Im Interesse des Staates geht es so nicht weiter.“

Nach dem Rückzug der christdemokratischen „Ersten Partei“ aus der Regierungskoalition in der vergangenen Woche war die Situation für die Regierung Repse immer desolater geworden. So veranlasste Innenminister Maris Gulbis den Rücktritt seines Staatssekretärs Juris Reksna, weil dieser ihn angeblich erpressen wollte. Gegen Gulbis selbst und gegen Unterrichtsminister Karlis Sadurskis hatte die Opposition im Parlament Misstrauensanträge eingebracht.

Repse selbst muss sich derzeit unangenehme Fragen seitens eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wegen besonders günstiger Darlehensverträge, die ihm gewährt wurden, gefallen lassen. Und am Donnerstag hatte eine Parlamentsmehrheit gegen den Widerstand der Regierung Lohnerhöhungen für Lehrer durchgedrückt, die den Rahmen des Staatsbudgets vollständig sprengen.

Staatspräsidentin Vaira Vike-Freiberga hatte schnell reagiert und in einem Interview am Donnerstagabend die umgehende Bildung einer neuen Regierung gefordert. Ohne den als autoritär geltenden Einars Repse. Dieser „habe seine Chance gehabt“. Und ohne Beteiligung der Linksopposition, denn, so Vike-Freiberga, am wichtigsten sei nun die ungestörte Vollendung der EU- und Nato-Mitgliedschaft des Landes in drei Monaten.

Nach dieser Vorgabe der Präsidentin begannen gestern Sondierungen zwischen den drei ursprünglichen Koalitionspartnern Repses, der „Ersten Partei“, der „Grünen-Bauernpartei“ und der rechten „Vaterland und Freiheit“ mit der liberalen „Volkspartei“. Diese hatte sich für den Fall, dass Repse außen vor bliebe, durch ihren Chef Aigars Kalvitis zu „konstruktiven Gesprächen“ bereit erklärt. Die einzige Alternative, vorgezogene Neuwahlen, soll offenbar vor allem angesichts des anstehenden Beitritts zur europäischen Union vermieden werden.

Die sich abzeichnende Regierungskoalition ist sich auch über ein Gesetzesvorhaben einig, das in den letzten Wochen für heftige Proteste seitens der russischsprachigen Minderheit gesorgt hatte. Zeitgleich mit der abschließenden Behandlung eines neuen Schulgesetzes im Parlament, das Lettisch zur überwiegenden Unterrichtssprache auch in den russischen Schulen macht, hatten am Donnerstag wiederum tausende, vor allem SchülerInnen und StudentInnen in Riga demonstriert. Mit 67 gegen 25 Stimmen wurde das Gesetz verabschiedet.

REINHARD WOLFF