Langer Atem

Virtuose an mehreren Blasinstrumenten: Der Solist Ned Rothenberg zu Gast im Westwerk

Mancherorts ist die so genannte Zirkularatmung etwas in Verruf geraten, weil gar zu eifrige Didgeridoo-Adepten das Wort im Munde führen, wenn sie nicht gerade in Parks und Grünanlangen oder dem Umfeld von Hanfparaden und Goa-Festivals ihr Gegrummel zum Besten geben. Der belesene Jazzhörer indes glaubt sich zu erinnern, dass diese Technik scheinbar nie endenden Pusten-Könnens seinerzeit, irgendwann in den frühen 60er Jahren, durch Rahsaan Roland Kirk ins Genre Einzug gehalten hat.

Mit Ned Rothenberg spielt jetzt ein heutiger Zirkularatmer im Westwerk, und mit Kirks Freistil-Jazz-Variante hat er deutlich mehr zu tun als mit den Exotismus-Anwandlungen von westlicher Wohlstandskinder. An Altsaxophon, (Bass-) Klarinette oder der traditionellen japanischen Bambusflöte Shakuhachi entfaltet Rothenberg ein zuweilen beeindruckend dichtes Geflecht aus Minimal-Music-artigen Patterns oder schwingt sich zu waghalsigen Solo-Linien auf, kombiniert strahlenden Wohlklang und schroffe Kleinsteruptionen.

Als Kind von New Yorks Downtown-Avantgarde-Szeneweiß er um die beschränkte Gültigkeit von Lehrbuchmeinungen: Vermeintliche Fehler und Nebengeräusche lässt er nicht nur zu, sondern setzt sie ein. Bei alldem dürfte – neben etlichen Jahren Spielpraxis – der erwähnte lange Atem von großer Hilfe sein. Denn dass da wirklich nur ein Musiker auf der Bühne steht, dessen wird sich mancher Zuhörer gelegentlich vergewissern müssen. ALEXANDER DIEHL

Donnerstag, 21 Uhr, Westwerk