Nationalpark-Gründer und Cheflobbyist

Er war Mitbegründer des Niedersächsischen Nationalparks Wattenmeer, knackte mit anderen den geplanten Dollart-Hafen in der Emsmündung und scheiterte am Emssperrwerk: Holger Wesemüller. Jetzt wechselte der Leiter des Bremer WWF-Büros für Meere und Küsten als Öko-Lobbyist nach Berlin

taz ■ Haben Sie von Weser, Ems und Nordsee die Nase voll? Holger Wesemüller: Überhaupt nicht. Der Naturschutz hat in den letzten 20 Jahren viel erreicht. Heute weiß jeder, wie bedroht das Wattenmeer ist. Das war vor zwanzig Jahren nicht der Fall. Zwischen Touristik und Naturschutz gibt es heute Gemeinsamkeiten. Wir kämpfen zusammen gegen die Meeresverschmutzung oder gegen küstennahe Windparks auf See.

Es heißt, die Einrichtung des Nationalparks Wattenmeer sei 1986 ein Deal zwischen Ihnen und dem damaligen, niedersächsischen CDU Ministerpräsidenten Ernst Albrecht gewesen. In Niedersachsen standen Wahlen an. Damals war die Einrichtung eines Naturparks Küste im Gespräch. Das war so eine „gebügelte Erlebnisküste“ für Touristen. Der WWF und andere haben argumentiert, wir brauchen Schutzzonen in und am Meer, in denen definiert wird, wer wo was machen darf und was nicht. Dieser Gedanke hat sich in der CDU durchgesetzt. Mit einer CDU-Regierung hatten wir in Teilen schärfere Vorschriften für den Nationalpark als mit der SPD im jetzigen Nationalparkgesetz.

Fallen Sie der neuen CDU- FDP Landesregierung jauchzend in die Arme? Blödsinn. Es gibt eine Menge zu tun. Stichworte sind: Überfischung der Nordsee. Der WWF ist für Fangeinschränkungen bis hin zu Fangverboten. Dieses Jahr läuft der Muschelmanagementplan aus. Der WWF will eine Erneuerung mit Schutzgarantie für Muschelbänke im Nationalpark. Der WWF will eine Ausweitung der absoluten Ruhezonen im Nationalpark Wattenmeer. Das sind alles keine Liebesrufe an die neue Landesregierung. Man darf Meere und Küsten nicht einfach nur ausbeuten. Alle Benutzer von natürlichen Ressourcen müssen sich auch bereit erklären, diese zu bewahren und deren Erhalt zu garantieren.

Damit wären wir bei der Emsvertiefung, dem Emssperrwerk und der Meyer Werft. Der WWF sagt: Die Werft ist ein tolles Unternehmen, steht aber im Binnenland am falschen Platz. Selbst Gerhard Schröder als Ministerpräsident wollte vor gut zehn Jahren einmal einen neuen Standort für die Werft. Dann hat ihn wohl der Meyer Betriebsrat von etwas anderem überzeugt. Was an der Ems passiert, ist nach wie vor ein Drama und, zugegeben, eine Schlappe für den Naturschutz. Aber es gab ja auch Erfolge. Die Emsmündung, der Dollart, sollte zu einem Monster von Hafen ausgebaut werden. Das haben wir, mit anderen, verhindert. Heute weiß doch jeder, der Hafen war seinerzeit schlampig geplant, betriebswirtschaftlich fehlerhaft kalkuliert, und ökologisch nachteilig platziert. Über 40 Millionen Mark wurden dafür vorab aus dem Fenster geworfen. Die Abwehr des Hafens war ein Beispiel, wie engagierte Initiativen vor Ort und das fachliche und organisatorische Potential der Umweltverbände erfolgreich kooperieren.

Droht der Nordsee jetzt ein ähnliches Desaster durch den Bau von Windkraftanlagen im Meer? Wenn wir nicht aufpassen, dann wird die See genauso mit Windmühlen zugepflastert wie die Küste. Der WWF ist für diese regenerativen Energien, jedoch in geordneter, umweltverträglicher Entwicklung. Uns fehlen wichtige Erkenntnisse über die Auswirkungen solcher Anlagen. Deshalb plädieren wir erst einmal dafür, kleine Pilotanlagen zu testen. Das braucht Zeit. Jetzt gibt es effektive Möglichkeiten, etwas für den Klimaschutz zu tun. In erster Linie muss der Energieverbrauch gesenkt werden.

Zum Schluss, warum braucht man professionelle Umweltverbände? Naturschutz ist in den letzten Jahren komplexer und komplizierter geworden. Ehrenamtliche MitarbeiterInnen sind zwar immer noch Herz und Auge für den Naturschutz, sie allein können aber keine effektive Umweltarbeit mehr machen. Heute sitzt der Naturschutz mit Politikern, Wirtschaftlern und Verwaltungsleuten oft frühzeitig mit am Tisch, verhandelt und berät, ist in die Planung integriert. Wenn’s fair läuft, ist das ein Gewinn. Der WWF engagiert sich unter anderem im trilateralen Wattenmeerschutz. Dort werden Schutzkriterien zwischen den Niederlanden, Dänemark und Deutschland für die Küstenregion festgelegt. Im Wattenmeerforum der drei Staaten können wir uns nicht nur hinsetzen und sagen, wir sind dagegen. Da müssen wir gemeinsam qualifizierte Vorschläge erarbeiten. Überhaupt wird die internationale Kooperation zwischen Naturschützern zunehmend wichtiger. Interview: Thomas Schumacher

Die vollständige Fassung des Interviews ist im Ostfriesland-Magazin (April 2003), SKN-Verlag Norden erschienen.