Einen Oscar gibt es nicht

Der palästinensische Regisseur Elia Suleiman sucht nach einer künstlerischen Perspektive auf den Nahost-Konflikt

Wie dreht man im Niemandsland zwischen Ramallah und Jerusalem eine Spielfilmszene, in der ein Panzer explodiert? Oder einen Hubschrauber, den es im Flug in Stücke reißt? „Es ist ein bisschen schwierig“, sagt Elia Suleiman, der sonst nicht zum Understatement neigt. Die Explosion des Panzers konnte nicht vor Ort aufgenommen werden. Nötig war ein Nachdreh in Frankreich, für den die Landschaft der des Westjordanlands angeglichen werden musste. „Für die Szenen, in denen Molotowcocktails und Maschinengewehre vorkamen“, sagt Suleiman bei einem Interview während der Filmfestspiele in Cannes, „bekamen wir keine Erlaubnis. Wir legten sie daher auf den letzten Drehtag, sodass wir uns einfach hätten davonmachen können, falls etwas passiert wäre.“

Elia Suleiman, ein Palästinenser mit israelischem Pass, kam 1960 in Nazareth zur Welt. Die Stadt verließ er, als er 21 Jahre alt war. Bis 1993 lebte er in New York, wo er in dem Drehbuchautor John Berger einen Mentor fand und wo er seinen ersten Film drehte, den 45-minütigen „Introduction to the End of an Argument“. Später zog er nach Jerusalem, 1999 nach Paris. Zugleich reiste er regelmäßig nach Ramallah, um seine Verlobte zu treffen, und nach Nazareth, um seinen kranken Vater zu besuchen. Vorausgesetzt, die Straßensperren gestatteten diese Ortswechsel. Es nimmt daher kaum wunder, wenn Checkpoints und der mit ihnen verbundene Stillstand in „Göttliche Intervention“ eine so große Rolle spielen, dass der Film ein spezifisch palästinensisches Genre begründete: das des Road-Block-Movies.

Die Dreharbeiten begannen im September 2000, zum Zeitpunkt, als die Al-Aksa-Intifada ausbrach. Auswirkungen jenseits der praktischen Probleme habe dies nicht gehabt: „Man bleibt bei den Schauspielern, bei den Einstellungen. Man schaltet das Radio und das Fernsehen aus. Ob der Krieg endet oder nicht, wird die ästhetische Dimension des Films nicht ändern.“

In Cannes wurde der Film, der heute in die Kinos kommt (siehe Seite 15), vergangenes Jahr mit dem Preis der Jury ausgezeichnet. Für einen Oscar als bester ausländischer Film sollte „Göttliche Intervention“ zwar nominiert werden, doch der Academy of Motion Picture Arts and Sciences war dies zu heikel: Sie berief sich darauf, dass Palästina kein von der UNO anerkanntes Land sei. Manchen arabischen Kritikern wiederum gilt Suleiman als Verräter, unter anderem weil er sein Langfilmdebüt, „Chronik eines Verschwindens“ (1996), mit Unterstützung des israelischen Filmfonds drehte. In Israel werden seine Filme zwar von einem cinephilen Publikum geschätzt. Doch die Omnipotenzfantasien, die in „Göttliche Intervention“ die Ohnmacht der von Suleiman verkörperten Hauptfigur E. S. kontrastieren, kamen in Cannes bei israelischen Kritikern nicht gut an.

Ein zugänglicher Gesprächspartner ist Elia Suleiman nicht. Oft wendet er Fragen gegen den, der sie stellt. Was sagt er zur Gewalt, die seinen Film durchdringt? Er antwortet brüsk: „Die Gewalt zu zensieren, die in meiner Imagination existiert und für die nur ich verantwortlich bin, halte ich für verkehrt.“ Und fährt, etwas versöhnlicher, fort: „Die Risse im Film, aus denen Gewalt hervordrängt, sind eine innere Fantasie, die anders als üblich nicht von der normalen Filmhandlung abgetrennt wird.“

CRISTINA NORD