An der Wand entlang

In einem Spiel zum Daumen wundsimsen beweist der HSV beim 1:1 gegen Bochum wie mittelmäßig er ohne Mittelfeld wirklich ist.

aus HAMBURG JÖRG FEYER

Ratlosigkeit dürfte unter den nur 37.667 Besuchern in der AOL-Arena geherrscht haben, als so um die 60. Minute herum im Dienste einer Brauerei mal wieder zur Wahl des „HSV-Spielers des Tages“ aufgerufen wurde. David Jarolim? Der Tscheche hatte „die Räume zugemacht statt sie zu öffnen“, wie HSV-Trainer Klaus Toppmöller später sauer monierte, und sich mit umständlichen Pirouetten erneut als Spielverschlepper profiliert. Sergej Barbarez? Rannte sich ein ums andere Mal in der gut gestaffelten Defensive der Gäste fest. Beinlich oder Mahdavikia? Hatten den Adrenalinpegel der Fans vor allem mit schwachen Standardsituationen in die Höhe getrieben. Pfeifkonzert zur Pause.

Am ehesten empfohlen hatte sich noch Raphael Wicky. Der Schweizer löste sich auf der rechten Seite immer wieder aus der Viererkette und brachte gute Flanken in den Bochumer Strafraum, die Romeo und der zur Halbzeit (für den überforderten Alex Meier) eingewechselte Takahara nicht verwerten konnten. Oder gar Bastian Reinhardt? Der Innenverteidiger-Hüne hatte in der Schluss-Statistik die meisten Ballkontakte (86), was „alles sagt“, wie Toppmöller analysierte. Nämlich, dass der HSV derzeit kaum über die spielerischen Mittel verfügt, die eine kompakte Abwehr so unter Druck setzen können, dass sich zwangsläufig Einschussmöglichkeiten im Strafraum eröffnen. „Es war schwer gegen eine Wand zu spielen“, sprach frustriert HSV-Keeper Stefan Wächter.

Doch im Stile einer abgebrühten Zocker-Truppe wartete die Bochumer Wand nur geduldig auf jenen Moment, da sie sich kurz in ihre Bestandteile auflösen und entscheidend nach vorn bewegen konnte. Auf diesen mustergültigen Konter in der 70. Minute. Ein weiter Seitenwechsel, Stellungsfehler Kling, Colding überlässt Madsen, der geht in den Strafraum, legt klug quer auf den durchgestarteten Colding, der aus 6 Metern zum 1:0 für den VFL aus Bochum einschiebt, auf dessen Bus immer noch so rührend „Fußballgemeinschaft e.V.“ geschrieben steht. Toppmöller bringt Christian Rahn (für Beinlich), um auch über links mehr Offensivkraft zu entfalten. Warum erst so spät? „Das Risiko war mir früher zu groß“, begründete der HSV-Coach, der von Rahn „mehr Verantwortung“ für einen Platz in der Startelf fordert.

Ein Glück für den HSV, dass der VfL Bochum zwar nach wie vor die Nummer 1 im Revier ist, aber eben doch noch keine echte Spitzenmannschaft. „Wir müssen das 2:0 machen“, klagte Gästetrainer Peter Neururer im „Wechselbad der Gefühle“. Doch der eingewechselte Diabang vergab aus kurzer Distanz, bevor in der 82. Minute doch noch der letztlich verdiente Ausgleich für den HSV fiel. Es konnte nur wieder Romeo sein, der nach einer diesmal guten Flanke von Mahdavikia zum Ausgleich einköpfen konnte, als Konzentration und Ordnung in der Bochumer Abwehr zwangsläufig etwas verloren gingen. „Wir treten momentan auf der Stelle“, erkannte nüchtern Klaus Toppmöller. Wieder mal. Die Trophäe für den HSV-Spieler des Tages durfte dann übrigens Mehdi Mahdavikia in die Kabine schleppen. Es war kein Triumphzug. Vermutlich hatten sich die drei weit angereisten Mitglieder seines New Yorker Fanklubs die Daumen für ihren Liebling wundgesimst.