Ude empfängt und verhöhnt Kriegsplaner

Münchens OB kredenzt den Militärexperten der „Sicherheitskonferenz“ um Horst Teltschik die Depperlnfrage

„Doppelzüngig“ sei er. Das war noch das Harmloseste, was sich Münchens Oberbürgermeister Christian Ude von den Gegnern der Sicherheitskonferenz anhören musste. Im vergangenen Jahr, der Irakkrieg stand vor der Tür, hatte der beliebte SPD-OB noch gegen die im Nobelhotel Bayerischer Hof versammelten Kriegsplaner gewettert, einen Empfang für die Militärs abgesagt – und war anschließend als Redner auf der Gegendemo aufgetreten. Und jetzt? Diesmal empfing Ude die gleichen Leute, die er vor zwölf Monaten halbwegs verdammt hatte, mit allen protokollarischen Weihen.

Doch Ude wäre nicht „der Ude“, wenn er sich dabei nicht etwas gedacht hätte. Denn Christian Ude, 56, ist nicht irgendein Bürgermeister. Seit er vor gut zehn Jahren den Chefsessel am Marienplatz bezogen hat, glänzt er zugleich als Alleinunterhalter und einzige Hoffnung der bayerischen SPD. Was vor allem daran liegt, dass es Ude, einst Redakteur der Süddeutschen Zeitung und nicht zufällig Verfasser eines satirischen Buches mit dem unironischen Titel „Chefsache“, wie kein Zweiter versteht, sich selbst zu inszenieren.

Also stellte sich Christian Ude an diesem Wochenende mit freundlichem Lächeln an das Rednerpult im Bayerischen Hof und goss einen Kübel voll Spott und Hohn über die versammelte Militärprominenz aus. Zum Thema der sagenumwobenen Phantom-Massenvernichtungswaffen formulierte er: „Gerade hier auf dieser Konferenz haben hochkarätige Teilnehmer unter Berufung auf ihre fachliche Autorität und ihre brillanten Informationsmöglichkeiten immer wieder versichert, dass sie dies aus ganz sicherer Quelle zweifelsfrei wüssten und dass nur hoffnungslos naive oder gar böswillige Menschen daran zweifeln können.“ Ein knappes bayerisch-freundliches „Was seids ihr bloß für Deppen?“ hätte es natürlich auch getan, aber Ude kennt das Protokoll.

Also fügte das Stadtoberhaupt in einem angenehmen Anflug von Größenwahn noch hinzu, dass man zur nächsten Sicherheitskonferenz doch bitte das Internationale Rote Kreuz, die UNO und amnesty international einladen solle, dafür könnten ja die Lobbyisten der Rüstungsfirmen zu Hause bleiben. Veranstalter Horst Teltschik, nebenberuflich als Präsident von Boeing Deutschland aktiv, soll nicht sehr amüsiert gewesen sein. Ude war es dafür umso mehr. Im sicheren Bewusstsein, einen kleinen Coup gelandet zu haben, schob er in einem Zeitungskommentar noch nach, „dass München selbstverständlich ein guter Gastgeber sein muss, wenn gewählte Repräsentanten vieler Völker in die Stadt kommen“. Mehr Verachtung geht kaum.

Als am Samstag dann so 5.000 (laut Polizei) bis 10.000 (laut Veranstaltern) Menschen in München gegen die Konferenz demonstrierten und dabei von einem absurden Polizeiaufgebot mit 4.000 Beamten in die Zange genommen wurden, war Christian Ude nicht dabei. Klar, dort wollte ihn ja niemand als Redner haben. JÖRG SCHALLENBERG