Peinliches Schulsystem

betr.: „Tschüss, Hauptschule“, „Die Kinder sind clever“, taz 13. 11. 08

Eine interessante Reaktion der Kultusministerkonferenz: Zuerst werden so genannte Bildungsstandards festgeschrieben, die man als solche schon mit großer Vorsicht genießen muss. Sie messen, wie Manfred Paul indirekt und zu Recht sagt, tatsächlich nur das, was sie messen – was Tests halt so tun – und sehr vieles andere Wertvolle und Lebenswichtige nicht. Immerhin stimmt freilich auch, dass sie den Schulen ein wenig Feuer unter dem Hintern machen. Aber jetzt, wo durch die Überprüfung ebendieser Standards durch Vergleichs-Arbeiten klar offenliegt, dass die Hauptschulen unter der Last zusammenbrechen (nicht: versagen) und man also reagieren müsste, setzt man das Testverfahren aus.

Das ist typisch für unsere totale menschliche und ideologische Unfähigkeit. Am besten setzt man auch Krebsuntersuchungen aus, weil man dadurch nur feststellt, dass man in Behandlung müsste. Und feiert sich weiter in einem Schulsystem, das nur mehr peinlich, aber weder menschlich noch sinnvoll und sozial ist. Wenn dann die gesamte Schulkarriere der Kinder und Jugendlichen gescheitert ist und Gewalt und Desinteresse hübsch nachhaltig gesichert sind, kann man ja wieder die coole Tour mit den scheiß kriminellen Jugendlichen fahren. Also erst behindern, abhängen und marginalisieren, dann beschimpfen und feste bestrafen. Wir sind sehr schwach im konstruktiven Umgang miteinander. TOBIAS JOHN, Köln