das wort zum sonnabend
: Tut ja keinem weh, Tee

Tief eingetaucht ist Kristo Šagor in Bremens Mixtur aus Nordischem und Klein Berlin. Der aus Lübeck stammende, bundesweit gefeierte Dramatiker, Jahrgang 1976, ist seit Dezember Hausautor am Bremer Theater. Für die taz holt er jeden Samstag Perlen aus dem hanseatischen Schlick.

Ein kleines Teegeschäft mitten in der Bremer City, einladend unscheinbar. Und die winzige Einkaufsfläche. Aber Teegeschäfte brauchen ja nie eine große Verkaufsfläche, sagt mein Freund D. später, als habe er es von Anfang an besser gewusst. Alle Packungen sind in maritimem Blau-Weiß gehalten. Erstaunlich früh bietet uns die Verkäuferin die zum Probieren aufgegossene Sorte an. Ein grüner Tee, irgend aromatisiert, irgend verführerisch.

D. folgt der Einladung als erster, und natürlich will ich plötzlich auch schmecken. Das Beratungsgespräch nimmt Formen an. Die Verkäuferin und ich grenzen uns beide von den Kaffeetrinkern ab, wohliges Dazugehörigkeitsgefühl.

Ob sie auch Rooibush habe oder andere Sorten ohne Teein? Ja, da gebe es noch Honeybush. Sie führt mich zum entsprechenden Regal.

Auf meine Nachfrage hin erklärt sie mir das Verwandtschaftsverhältnis von schwarzem und grünem Tee: Die grünen Teeblätter werden gerollt, ihre Oberfläche bricht auf, Sauerstoff dringt ein. Die Oxidation, die in diesem Fall Fermentation heißt, macht aus den grünen Blättern schwarze. Sie zückt ein Buch, zeigt begleitend Fotos, und ich fühle mich bestens informiert.

Da will ich um nichts nachstehen und frage sie, ob sie den Begriff „tisane“ aus dem Französischen kenne. Nein, kennt sie nicht. Und, hurra, nun kann ich auch was erklären. Tisane meint alle Aufbrühgetränke, die nicht Grün- oder Schwarztee sind, also ein Überbegriff für Kräuter- und Früchteteesorten, also auch für Rooibush und – Gelerntes sofort anwenden – Honeybush. So langsam steigere ich mich in eine Heimeligkeit hinein, die auch einen gutmenschelnden Aspekt hat: die kleinen, lokalen Geschäfte fördern in der bösen großen Globalisierung, sich gut beraten wissen gerade vom niedlichen Fachhändler um die Ecke – bei einem Exportartikel wie Tee eine abseitige Idee.

Ich sage, mein Freund K., der Franzose ist, könne es ihr wahrscheinlich noch genauer erklären, und rufe ihn kurzerhand vom Handy aus an. Ich erläutere ihm die Situation und drücke ihr das Handy in die Hand.

Am Ende kaufe ich einen Honeybush und drohe baldiges Wiederkommen an. Sie schenkt mir liebenswert viele Teeproben und stellt mir ein Rabattheftchen aus. Das Heftchen gelte übrigens auch in den anderen Filialen. Sie hat also noch weitere Verkaufsstellen, schön.

Aber ich irre mich, hier eine Broschüre: Auf der Rückseite eine Liste mit Dutzenden Adressen, hinter dem maritimen Weiß-Blau verbirgt sich eine deutschlandweit expandierte Kette. Mann, bin ich ein Schaf. Aber Teegeschäfte brauchen ja nie eine große Verkaufsfläche, sagt D., als habe er es von Anfang an besser gewusst.

Kristo Šagor