Kästners Geist

Total süß: Die Kinderoper „Der 35. Mai“ übt auf Kampnagel Hamburg zarte Ideologiekritik

Es gibt diese Momente, da scheint die Welt irgendwie in Ordnung zu sein. Der frühe Sonntagabend „auf“ Kampnagel, wie man in Hamburg sagt, gehörte zu diesen Momenten. Gerade war eine wirklich liebevoll inszenierte Kinderoper zu Ende gegangen, die jungen DarstellerInnen hüpften auf die Bühne und verbeugten sich derart wohlerzogen, dass auch vornehme hanseatische Großeltern ihre Freude gehabt haben werden.

Tatsächlich kann es einem bei Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee, der dritten Kinderoper-Produktion der Hamburger Staatsoper, ganz warm ums Herz werden. Die Handlung nach dem Roman von Erich Kästner ist auf eine Drehbühne verlagert worden, wo nach Bedarf die Bühnenbilder hereinrotieren.

Die Südsee schließt pünktlich um 19 Uhr

Bevor Konrad, sein kurioser Onkel und das sprechende Zirkuspferd Negro Kaballo auf die Südsee stoßen, kommen sie durchs Schlaraffenland, wo andere Kinder in rollbaren Betten vor sich hingähnen. In der „verkehrten Welt“ sitzen Erwachsene, auch sie von Kindern gespielt, in der Schulbank. Und die Südsee ist ein kleines Kostümfest mit bemalten Häuptlingen, karierten Prinzessinnen und einer süßen Schimmelstute, in die sich Herr Kaballo sofort verliebt.

Was sagt uns das? Wie meistens bei Kästner ist die Welt nicht genau so, wie sie sein sollte, es gibt böse Eltern, Intoleranz und so weiter, und die gilt es zu bekämpfen. Andererseits ist die Welt im Prinzip schon in Ordnung, und um 19 Uhr muss die Reise in die Südsee auch vorbei sein, denn dann gibt es Abendbrot. Dass Regisseurin Alexa Lüddecke der Geschichte keinen zweiten Boden einzieht, ist bei einer Kinderoper freilich verzeihlich, wo es ja zunächst darum geht, das Projekt überhaupt auf die Bühne zu kriegen.

Ein Comeback fürZwischentöne

Bei Der 35. Mai gelingt dies mit Hilfe professioneller Opernsänger, die die Rollen des Onkels und des Zirkuspferdes übernehmen, und dank eines großartigen Studentenorchesters unter Leitung von Cornelius Meister. Die MusikerInnen holen aus der Partitur der rumänischen Komponistin Violeta Dinescu die verborgenen Zwischentöne heraus. Manchmal ist es, als ob die Musik zu schillern beginnt.

In der durchaus anspruchsvollen Partitur liegt aber auch die Crux der Inszenierung. An manchen Stellen scheinen die Kinderstimmen damit doch überfordert, auch wenn sich das Orchester in solchen Momenten zurückhält. Kinder sind eben keine Opernsänger. Aber das kann ja noch werden, schließlich haben auch die großen Sänger mal klein angefangen. Daniel Wiese

Weitere Vorstellungen: 10., 12., 17., 19. & 26. 2., 18 Uhr; 14., 15. & 28. 2., 17 Uhr; 22. und 29. 2., 15 und 19 Uhr, Kampnagel