Freitag ist Großkampftag

10.000 ägyptische Muslime protestieren in Kairoer Moschee gegen Irakkrieg. Außerhalb des Gotteshauses wird jeder Protest im Keim erstickt. 3.000 Polizisten verteidigen das Image Amerikas

KAIRO taz ■ 10.000 ägyptische Muslime haben nach dem Freitagsgebet in der Kairoer Al-Azhar-Moschee gegen den Irakkrieg protestiert. Vor zwei Wochen war es nahe dem Gotteshaus zu Zusammenstößen zwischen Polizei und US-feindlichen Demonstranten gekommen. Gestern wurde jedoch jede Versammlung von Antikriegsprotestlern außerhalb der Moschee polizeilich unterbunden.

Mehr als dreitausend ägyptische Bereitschaftspolizisten waren aufgeboten, um das Image Amerikas zu verteidigen, das nach eigenen Worten den Nahen Osten endlich demokratisieren möchte. Ganze dreimal konnte ein Einpeitscher im Zentrum Kairos „Nieder mit Amerika“ und „Für das irakische Volk“ brüllen, dann wurden er und die zwanzig lautesten Schreier im Würgegriff abgeführt. Der Rest der weniger als 100 waghalsigen Demonstranten, die sich trotz der einschüchternden Polizeipräsenz am Saida-Aischa-Platz im Zentrum Kairos eingefunden hatten, ging frustriert nach Hause. Nach zehn Minuten war der gestrige Antikriegsprotest aufgelöst.

Jeden Freitag ist Großkampftag. Nach dem Mittagsgebet wird ausgetestet, ob die Irakkriegs-Gegner oder die Polizeikräfte das Oberwasser behalten. Noch vor dem Krieg hatte die Regierung vereinzelt als eine Art Ventil Demos erlaubt. Schließlich wollten die Herrscher in Kairo auch nach Washington ein Signal senden. In der Staatspresse kursierte bald die Zahl von 5 Milliarden Dollar, mit der Ägypten seine aus dem Irakkrieg entstehenden Wirtschaftsverluste beziffert hat und die es nun von den USA als Ausgleich erwartet.

Ein paar Demos waren da der Verhandlungsposition nicht abträglich. Nach dem augenzwinkernden Motto: „Schaut, das Volk ist böse, aber wir haben alles im Griff, solange ihr uns nicht vergesst“. Das Problem war, dass zu Kriegsbeginn einige der Demos nur noch unter Einsatz von Wasserwerfern und Schlagstöcken unter Kontrolle gebracht wurden und dass die Demonstranten „Mubarak, wer hat dich bezahlt“ zu skandieren begannen.

Gestern erstickten dann die Sicherheitskräfte jeden Protest im Keim, zumal der Innenminister noch vor zwei Wochen erneut darauf hingewiesen hatte, fortan müsse allen klar sein, dass Demonstrationen laut dem ägyptischen Notstandsgesetz untersagt seien. Die Verhaftung zweier protestierender Parlamentsabgeordneter sollte den Ernst der Lage vor Augen führen. Hamdine Sabahi und Muhammad Farid Hassanein wurden vor zwei Wochen zusammengeschlagen und dann in der Klinik unter Hausarrest gestellt. Beide sind wieder frei. Farid hat sich aber sicherheitshalber nach Deutschland abgesetzt.

Das Ganze erinnere ihn an die letzten Tage des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat, der von Islamisten ermordet worden war, sagt ein Menschenrechtsaktivist, der nicht namentlich genannt werden möchte. Damals habe die Regierung in den Augen der Bevölkerung jegliche Legitimität verloren, nachdem Sadat 1977 Israels Knesset besucht hatte.

Für viele Ägypter hat sich ihre jetzige Regierung endgültig diskreditiert, als Mubarak Mitte März in einer Rede erklärte, dass allein Saddam Hussein für das verantwortlich sei, was geschehen werde. Hätten wir eine ernsthafte Opposition, würde das Regime fallen, glaubt der Menschenrechtsaktivist. Doch selbst die größte Oppositionsgruppe, die islamistischen Muslimbrüder, spielt derzeit nur innerhalb der von der Regierung gesetzten Spielregeln. „Wenn die USA nicht nur militärisch siegen, sondern den Irak auch politisch kontrollieren, dann bekommen die Menschen hier wie 1948 bei der Gründung Israels und 1967 nach dem schamvoll verlorenen Sechstagekrieg das Gefühl der totalen Niederlage“, so der Menschenrechtsaktivist. Dann „wird es in dieser Region keinen einzigen stolzen Menschen mehr geben“. KARIM EL-GAWAHRY