Späte Erinnerung

„Kein Desinteresse, keine Unwissenheit“: Stolpersteine für Familie von Lucille Eichengreen in Eimsbüttel gesetzt

Die Steine sind ein Geschenk von Freunden. Von selbst wäre Lucille Eichengreen nicht auf die Idee gekommen, solcherart an ihre Angehörigen zu erinnern: „Ich lebe in den USA und habe zu Hamburg keinen Bezug mehr“, sagt sie abgeklärt. „Die Menschen, die ich hier kannte, sind alle tot.“ Die Jahre im Ghetto Lodz und später in Auschwitz verdrängt sie nicht, sie hat sie verarbeitet in ihrer Autobiografie „Von Asche zum Leben“ (erschienen 1992). Über das Schicksal ihrer Familie und ihre eigenen traumatischen Erlebnisse gibt die zierliche 78-Jährige dennoch bereitwillig Auskunft, frappiert aber mit hartem Urteil: „Ich ertrage hinsichtlich der Nazi-Verbrechen kein Desinteresse, keine Unwissenheit und keine Oberflächlichkeit.“

Etwa 25 Personen versammelten sich am Sonnabendnachmittag zu einer Gedenkfeier um drei Messingplatten vor dem Haus Hohe Weide 25 in Eimsbüttel. Hier hatte Eichengreen zwischen 1928 und 1935 als Cecilie Landau gelebt. Zusammen mit Vater, Mutter und jüngerer Schwester – den drei Personen, an deren Ermordung im NS-Vernichtungsapparat nun die Stolpersteine vor dem Haus erinnern sollen.

Zurzeit kann man in Hamburg über 320 Steine stolpern. Bis Jahresende sollen es mehr als 600 geworden sein. Auch in Bergedorf, wo die Erinnerungsmale jüngst in der Bezirksversammlung für eine Kontroverse über Vergangenheitsbewältigung gesorgt hatten, dürfen sie mittlerweile gesetzt werden.

christine keilholz

„Von Asche zum Leben“ mit einem Vorwort von Ralph Giordano ist im Donat-Verlag neu erschienen und kostet 14,50 Euro (ISBN 3-934836-26-7).