Nordkorea droht Hungersnot

Nach neun Jahren Dauerhilfe versiegt der Spendenfluss in das stalinistisch regierte Land, die Getreidesilos sind leer: UN kann 6,5 Millionen Menschen nicht versorgen

PEKING dpa/taz ■ Nahezu 6,5 Millionen hungernde Nordkoreaner erhalten keine Nahrungsmittelhilfe mehr, weil internationale Spenden ausbleiben. Das Welternährungsprogramm (WFP) appellierte gestern in Peking dringend an die internationale Gemeinschaft. „Wir müssen sechseinhalb Millionen Menschen in Nordkorea ernähren. Diesen Monat versorgen wir weniger als 100.000“, sagte Masood Hyder, WFP-Repräsentant in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. Die Ration reiche gerade aus, um die Bedürftigsten – schwangere Frauen und Kinder in Krankenhäusern oder Waisenheimen – zu versorgen.

Wegen des Rückgangs der Spenden großer Geberländer werde die Hilfsorganisation bis April kein Getreide mehr an die meisten Bedürftigen ausliefern können. „Wir kratzen am Boden der Fässer.“ Betroffen seien vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen. „Viele von denen, denen wir nicht mehr helfen können, bekommen nur zwei Drittel der Kalorien, die sie brauchen“, sagte Hyder. „Wenn sie nicht sehr bald Hilfe bekommen, könnte der Schaden nicht wieder gut zu machen sein.“ Deshalb appellierte er an die Geberländer: „Wenn Sie geben wollen, geben Sie bitte bald.“

Die verbliebenen Hauptgeberländer sind die USA, die EU, Australien, Kanada und Norwegen. Das Welternährungsprogramm hatte in diesem Jahr die Lieferung von 485.000 Tonnen geplant, aber nur Zusagen für 140.000 Tonnen bekommen, die noch längst nicht ausgeliefert sind. Besonders gefährlich seien der Februar und der März. Die Lage verschärfe sich durch klirrende Kälte und fehlende Heizmöglichkeiten. Jetzt sei der „schlechteste Zeitpunkt“ für eine Ernährungskrise, so Hyder. Die nächste Lieferung von 77.000 Tonnen ist erst für Ende März avisiert.

Die internationale Politik wie der Streit um das Atomprogramm des isolierten stalinistischen Staates von Diktator Kim Jong-Il verringere die Bereitschaft der Geberländer. „Wir operieren in einem ungünstigen politischen Klima.“ Die Spender seien zudem unzufrieden mit der Überwachung der Hilfslieferungen oder gar deren Behinderungen durch die nordkoreanischen Behörden: Der WFP darf nicht alle Regionen besuchen, die er beliefert. In anderen Gebieten müssen sich die Helfer vorher anmelden.

Seit neun Jahren wird Nordkorea von Nahrungsmittelknappheit geplagt: Der Engpass geht auf Überschwemmungen und Missmanagement, aber auch auf den Wegfall des Hauptspenders UdSSR zurück. Betroffen sind gut ein Viertel der 23 Millionen Einwohner Nordkoreas. Nachdem die chronische Unterernährung unter nordkoreanischen Kindern, die vielfach kleinwüchsig sind, durch die internationale Hilfe von 62 Prozent (1998) auf 42 Prozent (2002) gesenkt worden sei, drohe der Spendenrückgang die Fortschritte wieder zunichte zu machen, warnte Hyder.