ein arabisches tv-tagebuch
: Der Schriftsteller Sélim Nassib über den Irakkrieg aus der Perspektive von al-Dschasira

Kraftprobe bestanden

„Ich habe die Bilder gesehen, die Ihnen die Amerikaner geliefert haben. Sie aber sollten der Welt sagen: Das sind nicht die Vororte von Bagdad. Diese Bilder wurden in Abu Ghreib gedreht, 30 bis 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, wo unsere Streitkräfte die Imperialisten umzingelt haben. Darum bitte ich Sie, das richtig zu stellen. Denn der Feind versucht, die Welt zu täuschen, um zu vertuschen, dass er am Flughafen und anderswo vernichtend geschlagen worden ist.“

Eingeschnürt in seine olivgrüne Uniform, vor der Kuppel einer Moschee in Bagdad, schäumt der irakische Informationsminister Mohammed Said al-Sahhaf vor Wut darüber, dass er nicht mit einem simplen Handstreich die Darstellung der Realität zurückweisen kann, wie sie von Millionen arabischen Fernsehzuschauern wahrgenommen wird, die über al-Dschasira verbunden sind. Betrübt hört er auf zu sprechen, und der Sender strahlt Bilder aus, die vom Geschützturm eines amerikanischen Panzers aus aufgenommen wurden, welche die unmittelbare Umgebung des Flughafens und die verkohlten Überreste irakischer Militärfahrzeuge entlang der Route zeigen.

„Wenn man den einen und den anderen zuhört, hat man den Eindruck, es mit zwei verschiedenen Kriegen zu tun zu haben“, sagt der Nachrichtensprecher, bevor er eine Montage widersprüchlicher Bilder zeigt. „Wem soll man glauben?“, fragt er.

In Wirklichkeit gleichen sich der irakische und der amerikanische Diskurs: Der eine wie der andere entwickeln eine Propaganda, welche einen unausweichlichen Sieg versprechen. Allein der gleichwertige Umgang mit „arabischen“ und „feindlichen“ Standpunkten auf al-Dschasira aber ist an sich schon ein Skandal für das Regime von Saddam.

Die letzten Informationen über die Situation in der Hauptstadt werden von Tayssir Allouni gegeben, den Korrespondenten von al-Dschasira, dessen sofortige Ausweisung der irakische Informationsminister verlangt hatte. Um gegen diesen Akt der Zensur zu protestieren, hatte der Sender mehr als zwei Tage lang seine Berichterstattung aus dem Irak unterbrochen. Ihres Zugangs zum Publikum von al-Dschasira beraubt, haben die irakischen Autoritäten am Ende nachgegeben.

Der Sender aus Katar erklärt nicht, was genau passiert ist, noch wie al-Sahhaf seine Entscheidung rückgängig gemacht hat. Er nimmt lediglich sein Programm wieder auf, als wäre nichts gewesen. Man wusste ja bereits, dass die Zeiten, in denen jedes arabische Regime seine Öffentlichkeit über den Umweg seines eigenen kleinen, nationalen Fernsehens kontrollieren konnte, vorbei sind.

Die Kraftprobe zwischen al-Dschasira und den irakischen Machthabern hat lediglich bewiesen, in Echtzeit und ohne Kommentar, das selbst das blutigste Regime der arabischen Welt es sich nicht erlauben kann, sich der Informationsfreiheit zu widersetzen.

Sélim Nassib begleitet in seiner Kolumne die Berichterstattung des arabischen TV-Senders al-Dschasira