village voice
: Elektro-Boheme 2004, gut sortiert im Club Transmediale

Für die Verbindung von Kunst und Club gab es von Anfang an pragmatische Gründe. Zu Ausstellungen wurden DJs gebucht, weil es sich lockerer kommunizieren lässt, wenn der Geräuschpegel stimmt. Und Techno sollte mit wilden Computergraphics und flashigen Lounges mehr als bloße Tanzschaffe sein. Von diesem Synergieeffekt haben weit über die Neunzigerjahre hinaus beide Sektoren in Berlin profitiert. Aber jetzt ist der große Trend irgendwie vorbei: In der Kunst wird akademisch gemalt, die Partyszene feiert lieber wieder unter sich als im Museum.

Hat sich damit das Konzept des Club Transmediale erübrigt? Nein, nur verlagert. Weg von Design und Ästhetik, hin zu mehr Theorie und Aktivismus, zu Re-Territorialisierung statt globalem Partytum. Noch immer sind jede Menge Info-Guerillas unterwegs, noch immer gibt es DAT-Politics, Gendertronics, und mit der EU-Erweiterung werden die osteuropäischen DJ-Truppen visafrei die Häuser rocken.

Insofern passten die Themen des diesjährigen Festivals gut zur gegenwärtigen Laptop-Bewegung. Das hört man auch auf den 32 Beiträgen, die von Marc Weiser als dem hauptverantwortlichen CTM-Organisator für eine Doppel-CD zusammengestellt wurden: ein fettes Köln-Set, diverse Mille-Plateaux-Ableger, dazu Polen, Russen und Japaner inklusive. Das meiste ist zwar schon auf allerlei Mini-Labels veröffentlicht; aber als Edition gibt der Sampler ganz gut wieder, womit sich die Elektro-Boheme von 2004 beschäftigt. Dabei scheint sich nicht nur die bpm-Zahl auf der Rave-Skala happy-hardcore-hysterisch nach oben geschraubt zu haben. Überhaupt hat sich die Begeisterung für am Computer zusammengefrickelte Clicks ’n’ Cuts merklich gelegt, ziehen die Tracks eher wie Bretter vorbei. Jacek Sienkiewicz gibt Dark-Trance eine zweite Chance, bei Farben steht weiterhin die Eleganz von Disco im Rampenlicht. Für die Hacker-Fraktion gibt es Gameboy-Fantasien, die als zerstückelte Melodien auf Speed fliegen, und T.Raumschmiere hat mit seinem new-wave-lastigen „Monstertruckdriver“ die Holzfäller-Hymne aus dem letzten Sommer am Start, zu der in Mitte die Mäuse auf den Tischen tanzten.

Trotzdem stellt sich die Frage, wo auf der Compilation das „grenzüberschreitende Potenzial“ geblieben ist, das unter dem Motto „Fly Utopia“ für den Club Transmediale angekündigt war. Dann fehlen doch die visuellen Momente: Während vor Ort Phill Niblocks Obertonorgien mit seltsamen Filmen von asiatischen Maisbauern unterlegt waren, ist die CD durchprogrammiert wie der geschmackvoll sortierte Beileger einer Musikzeitschrift. Zudem wäre es sicher puppenlustig gewesen, das anschwellende Tiefenbassgurgeln einmal zu Hause auszuprobieren, das beim Auftritt von Akuvido im Maria die Wände zum Wackeln brachte. So hat der Nachbar seine Ruhe – und für einen selbst bleibt der mörderisch laute Abend im Maria eine glorreiche Erinnerung an den Krach der frühen Februartage im Jahr 2004. Das ist eben der Reiz von Clubevents: Einmalig lohnt sich doch. HARALD FRICKE

Verschiedene: Club Transmediale 04 – Fly Utopia (Data Error, www.clubtransmediale.de)