Massenflucht aus Bagdad

Tausende Zivilisten fliehen vor den anhaltenden Bombardements. Nächtliches Ausreiseverbot verhängt. Mindestens 2.000 irakische Soldaten getötet. Desolate Versorgung in Krankenhäusern

BAGDAD rtr/afp/dpa ■ Die Massenflucht von Bewohnern Bagdads aus der von US-Streitkräften belagerten irakischen Hauptstadt dauert offenbar an. Augenzeugen berichteten, auch am Samstag seien wieder tausende Zivilisten vor den anhaltenden Bombardements der US-Luftwaffe und der befürchteten Bodenoffensive aus Bagdad geflohen. Männer, Frauen und Kinder, oft nur mit dem Allernötigsten im Marschgepäck, seien bei brütender Hitze zum Teil stundenlang unterwegs gewesen, um sich hinter den US-Linien in relative Sicherheit zu bringen.

Hunderte Iraker seien in weniger als einer Stunde an einem US-Konvoi vorbeigekommen, der rund 20 Kilometer vor Bagdad auf der Südost-Zufahrt festlag, berichtete ein Reuters-Reporter. Flüchtlinge sagten, sie seien müde nach den tagelangen Luftangriffen, viele hatten offensichtlich großen Durst.

Die verbündeten Bodentruppen haben nach US-Angaben mehr als 2.000 irakische Soldaten getötet. Wie ein Sprecher des US-Zentralkommandos mit Sitz in Katar gestern mitteilte, ließen einige Berichte aus dem Kampfgebiet die Zahl 2.000 als „sehr niedrig“ erscheinen. Die tatsächliche Zahl der Toten auf irakischer Seite sei voraussichtlich wesentlich höher. In anderen Teilen Iraks wollten sich dem Sprecher zufolge viele Führer irakischer Einheiten ergeben.

Am Samstag hatte ein US-Offizier mitgeteilt, beim ersten Vorrücken der Truppen in das Gebiet Bagdads seien etwa tausend irakische Soldaten getötet worden. Die Truppen seien manchmal freudig begrüßt worden, in einigen Fällen jedoch auf heftigen Widerstand gestoßen.

Das irakische Staatsfernsehen hat gestern Morgen ein nächtliches Ausreiseverbot aus Bagdad verkündet. Zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens dürften bis auf weiteres keine Fahrzeuge mehr die Stadt verlassen oder in die Stadt einreisen, hieß es in einer Erklärung.

Unmittelbar vor der Ankündigung war aus Richtung der westlichen Außenbezirke Bagdads schweres Artilleriefeuer zu hören. US-Truppen haben nach eigenen Angaben seit Freitag den internationalen Flughafen 20 Kilometer südwestlich des Zentrums von Bagdad unter ihrer Kontrolle. Seitdem haben sie immer wieder Stellungen irakischer Einheiten in den Außenbezirken Bagdads mit Artillerie, Raketen und Bomben angegriffen.

Angesichts der hohen Zahl der Verletzten angesichts der Bombardements kommen die Krankenhäuser in Bagdad an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, berichtete das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Allein vier Krankenhäuser der Stadt meldeten mehrere hundert eingelieferte Bombenopfer. Es gebe Dutzende von Toten.

Da kaum Strom vorhanden sei und auch die Wasserversorgung stocke, müssten die Krankenhäuser auf Notversorgung umschalten. Zusätzliche Probleme entstünden dadurch, dass Krankenhauspersonal nicht zu seinem Arbeitsplatz gelangen könne. Das IKRK ist die einzige internationale Hilfsorganisation, die mit Ausländern im Irak tätig ist. Wegen der Bombardierungen habe es beschlossen, seine Arbeit in Bagdad einzuschränken.