Über 600 Hortplätze fehlen

Warme Worte genügen nicht, geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Grünen fordern für den absehbaren Engpass „kreative Lösungen“. SPD: Wir brauchen zusätzliche Haushaltsmittel

taz ■ Berufstätige Eltern sind an deutschen Grundschulen nicht vorgesehen. Ab August werden rund 600 Bremer Kinder trotz Anmeldung im kommenden Schuljahr keinen Hortplatz bekommen. Spätestens um ein Uhr endet für sie das Angebot der verlässlichen Grundschule, dann stehen die Kleinen hungrig auf der Straße. Für berufstätige Eltern heißt das, dass ein Elternteil – in der Regel die Frau – gerade mal 20 Stunden arbeiten könnte. Gleiches gilt für Alleinerziehende. Und auch das geht nur, wenn dem Arbeitgeber eine Arbeitszeit von acht bis zwölf Uhr in den Kram passt. Wie zum Beispiel bei Schreibkräften oder Teilzeitverkäuferinnen. Gleichberechtigung ade.

Dabei sind die Absichtserklärungen vollmundig. Der Bremer CDU-Vorsitzende Bernd Neumann forderte jüngst bei der Präsentation des Wahlprogramms an erster Stelle: „Wir müssen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessern.“ Und auch die SPD will in der kommenden Legislaturperiode „zusätzliche Angebote“ in diesem Sektor schaffen. Ausdrücklich erwähnt das Wahlprogramm der SPD, dass die Versorgung der unter Dreijährigen „nicht bedarfsdeckend“ sei. Beim Thema Schule aber liegt der Schwerpunkt auf der Einrichtung von Ganztagsschulen. Doch das wird dauern. Im kommenden Schuljahr werden gerade mal vier Stadtteile von den „Ganztags-Modellprojekten“ profitieren. Und für das nächste Schuljahr gibt es weit mehr Schulen, die sich um den Ganztags-Status beworben haben, als Mittel dafür zur Verfügung stehen. Das Hort-Problem wird bleiben.

Die jugendpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion Anja Stahmann fordert daher jetzt „konkrete Lösungen statt warmer Worte“. Berufstätige Eltern oder Alleinerziehende stünden vor der paradoxen Situation, arbeiten zu wollen und zu müssen, aber keine Betreuung für ihre Kinder zu bekommen. „Solange die Ganztagsschule nicht flächendeckend eingeführt ist, brauchen wir dringend kreative, verlässliche Zwischenlösungen“, so Stahmann. Als Beispiel nennt sie die so genannten „pädagogischen Mittagstische“, die es in etlichen Stadtteilen schon gibt, die aber gleichfalls überlaufen sind. Solche Angebote, die den Eltern wenigstens Zeit bis zwei Uhr mittags verschafften, müssten ausgebaut werden.

Frank Piertzok, der jugendpolitische Sprecher der SPD stößt ins gleiche Horn. Das Problem sei ihm sehr bewusst, allerdings könnten neue Angebote nur über „zusätzliche Haushaltsmittel“ ermöglicht werden. „Und ich glaube, da kriegen wir vor der Wahl nichts mehr hin.“

Der grünen Forderung, kurzfristig Geld zur Verfügung zu stellen, erteilt die CDU eine klare Absage. „Wir haben das in diesem Haushaltsjahr nicht“, so die zuständige CDU-Abgeordnete Silke Striezel, die an die Sparqoute für alle Ressorts erinnert. Die Koalition habe ihr Hauptaugenmerk auf die „Rechtsanspruchskinder“ gelegt – das sind die Drei- bis Sechsjährigen mit Recht auf einen Kindergartenplatz. „Ich gebe zu, die Hortfrage war nicht unser Schwerpunkt“, so Striezel. Gleichwohl sehe sie „dass sich der Bedarf bei der Ganztagsbetreuung geändert hat“. Den Eltern wird dies nichts nützen. Sie werden zu „privaten“ Lösungen greifen: Den Job an den Nagel hängen, das Kind von Pontius zu Pilatus schicken oder es einfach erst ein Jahr später einschulen. Manche Probleme wie etwa der späte Einschulungstermin, der Bremen in der Pisa-Studie unter anderem so alt aussehen lässt, sind eben ganz und gar hausgemacht. Elke Heyduck