vorlauf kunst Harald Fricke schaut sich inden Galerien von Berlin um

Der Reiz ist da, noch immer. Ein Bus voll Schüler aus Braunschweig, ein Ehepaar, das extra aus dem Saarland angereist ist, eine modisch gestylte Japanerin mit Digitalkamera, ein Spanier mit Zeichenblock. Der Stüler-Bau gegenüber vom Schloss Charlottenburg ist mehr als gut besucht. Deshalb wurden die Picassos in die Neue Nationalgalerie ausgelagert. Jetzt erst ist einigermaßen Platz in der Berggruen-Sammlung für die Papierarbeiten von Henri Matisse. Zwei Etagen, unzählige Kabinette, 70 Scherenschnitte.

Es könnte die Blockbuster-Ausstellung 2003 werden. Zum ersten Mal seit 50 Jahren sind die Serien, die der damals in Paris lebende Galerist Heinz Berggruen von Henri Matisse gezeigt hatte, wieder in einem Gesamtüberblick zu sehen. Die „Papiers Découpés“ waren im Dezember zunächst in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle ein Erfolg, sie werden es auch in Berlin sein. Immerhin sind die collagierten Blätter eine Art Vermächtnis: Matisse starb 1954, kaum ein Jahr nach der Präsentation.

Den Anfang macht allerdings die Gestaltung für ein Buch von Stéphane Mallarmé Mitte der 30er-Jahre. Später folgen Cover für die Literaturzeitschrift Verve. Überhaupt entwickeln sich die Blätter vom Buchformat zu wandfüllenden Arbeiten, für die Matisse seinen Assistenten das Papier in Farbe tauchen ließ, bevor er daraus Blumen, Blüten, Schwalben, Interieurs und Aktdarstellungen schnitt. Im Mittelpunkt stehen die 20 Blätter der „Jazz“-Serie, bei der man auch ohne Blue Notes das Blau bei Matisse swingen sieht. Oder um mit seinen eigenen Worten zu schließen: „Die Blätter begleiten die Farbe / wie Astern in einem Bouquet.“