Keine erhöhte Aktivität

Der Irakkrieg hat laut Innensenator Körting bisher nicht zur Mobilmachung bei Islamisten geführt. Terroristische Bedrohung halte aber an. Körting warnt vor Verallgemeinerungen und Islam-Hysterie

von STEFAN ALBERTI

Entgegen anderslautenden Befürchtungen hat der Irakkrieg bislang nicht zu einer erhöhten islamistischen Bedrohung geführt. Zu dieser Einschätzung kam Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern bei der Vorstellung des Berliner Verfassungsschutzberichts für 2002. Entwarnung mochte er aber nicht geben: Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus halte unvermindert an. „Die Gefahr möglicher Anschläge bestand bereits vor dem Irakkrieg und hat nicht mit ihm begonnen“, sagte der Innensenator.

Körting hatte Ende März im Abgeordnetenhaus noch Bedenken geäußert: Es sei einzukalkulieren, dass der Irakkrieg den entscheidenden Anstoß für Gewaltaktionen geben könnte. Das blieb aber nach gestrigen Angaben aus. „Heute können wir sagen, dass bislang der Irakkrieg bei den Islamisten nicht zu einer Erhöhung der Aktivität geführt hat“, so Körting. Er mochte jedoch Einzelaktionen im weiteren Verlauf des Krieges nicht ausschließen. Derzeit lägen jedoch keine Hinweise auf geplante Anschläge vor.

Eine Ausnahme machte Körting für den am 20. März wegen Terrorverdachts verhafteten und dem Haftrichter vorgeführten Tunesier. Bundesanwaltschaft, Bundesgrenzschutz und Polizei hatten Räume der Neuköllner Al-Nur-Moschee durchsucht. „In diesem Fall gab es einen Hinweis, den wir aber nicht kommentieren, weil es ein laufendes Verfahren des Generalbundesanwalts ist“, sagte Körting. Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid bezeichnete die Al-Nur-Moschee als „Treffpunkt und Anlaufstelle von extremistischen Islamisten“, nicht aber von festen Gruppen wie der Hamas. Der mit weiteren vier Personen ebenfalls kurzfristig festgenommene Imam der Moschee hat die Terrorvorwürfe bestritten.

Körting warnte in diesem Zusammenhang vor Verallgemeinerungen. Man müsse aufpassen, „dass wir nicht gegenüber dem gesamten Islam in eine Hysterie verfallen“. Hüten müsse man sich vor der Annahme, jede Moschee sei ein islamistischer Treffpunkt. Selbst jenen Moscheen, in denen sich neben vielen anderen Muslimen Islamisten treffen würden, sei deswegen kein Vorwurf zu machen.

Islamisten und Extremisten definierte Körting als jene, „die aus der Religion heraus unsere Staatsform ablehnen und bereit sind, sie durch eine andere zu ersetzen“. Als extremistisch galten 2002 nur etwa 6.040 der in Berlin lebenden rund 400.000 Ausländer, über 400 weniger als im Vorjahr. Zwei Drittel davon seien in islamistischen Gruppen organisiert, überwiegend in der knapp 2.900 Personen starken, nicht gewaltorientierten türkischen Milli Görüs.

Der Innensenator räumte ein, dass der Verfassungsschutz nur beschränkten Einblick bei den knapp 1.200 arabischen Islamisten hat. „Unser Zugang zu denen ist mittelprächtig“, sagte Körting. Das sei aber keine Frage der Finanzen. „Eine absolute Durchdringung solcher Bereiche werden Sie nie haben.“