Deutsche Blauhelme nach Bagdad?

Die rot-grüne Koalition ist sich nicht einig, welche Rolle Deutschland in einem Nachkriegs-Irak zukommt

BERLIN taz ■ Einen Geburtstagsbrief hat Gerhard Schröder dem UN-Generalsekretär geschrieben, der gestern 65 Jahre alt wurde. Die Gefühle des Deutschen für den Ghanaer Kofi Annan sind dabei nicht nur persönlicher, sondern vor allem politischer Natur. In Annan sieht die rot-grüne Regierung einen Hoffnungsträger im Streit mit den USA, ob die internationale Gemeinschaft an Wiederaufbau und Demokratisierung des Irak beteiligt wird. Annan hat darum im Rahmen seiner Blitzreise nach Europa auch sofort einen Termin beim Kanzler bekommen. Am Freitag treffen sich die beiden in Berlin.

Der herzliche Empfang kann nicht verdecken, dass sich die deutsche Politik noch keineswegs einig ist, welche Rolle die Bundesrepublik im Irak der Nachkriegszeit spielen sollte. Zunächst steht im Vordergrund das Ringen der Bundesregierung um eine möglichst bedeutsame Rolle der Vereinten Nationen. Darin stimmt Rot-Grün mit der Unions-Oppposition im Wesentlichen überein. Im eher unwahrscheinlichen Fall, dass die USA der UNO tatsächlich die Führungsrolle abtreten, käme Hilfe aus Deutschland wohl schnell, umfassend und langfristig. Nachdem Verteidigungsminister Struck (SPD) den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in der Region nicht grundsätzlich ausgeschlossen hat, wären unter diesen Umständen sogar deutsche Blauhelme im Irak vorstellbar.

Umstrittener ist der deutsche Beitrag im Fall der wahrscheinlichen Entwicklung: wenn die USA und ihre Verbündeten die Kontrolle im Irak übernehmen. „Wenn das Land nicht von den UN wiederaufgebaut wird, sehe ich keine primäre Verantwortung Deutschlands“, hatte Struck provokativ erklärt. Sein Ministerium beschwichtigte wenig später, die Bundesrepublik werde dann zwar „nicht in der ersten Reihe“ stehen, sicher aber „in der zweiten oder dritten“. Den unattraktivsten Vorschlag unterbreitete gestern Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul den USA: Die UNO solle die politische Verantwortung im Land übernehmen, die Kriegsparteien USA und Großbritannien aber für die Hauptlast der Kosten aufkommen.

Erfolg versprechender scheint da der Versuch, die USA über eine internationale Irakkonferenz nach dem Vorbild der Afghanistankonferenz einzubinden, wie sie 2001 auf UNO-Vermittlung auf dem Petersberg bei Bonn stattfand. Ein entsprechender britischer Vorstoß fand gestern die ausdrückliche Unterstützung des SPD-Außenpolitikers Gernot Erler. Die Bundesregierung selbst hielt sich vorerst bedeckt. Mit Blick auf Annans Besuch kann sich das aber schnell ändern. PATRIK SCHWARZ