Traditionell, nicht puristisch

Der Schweizer Gitarrist Hank Shizzoe und seine Band „Loose Gravel“ simulieren das Mississippi-Delta – am Dienstag im Downtown Blues Club

Vor einer Westernkulisse aus Saloon, General Store und Postkutsche posiert ein jodelnder Gartenzwerg mit einer Gitarre. Dieses Bild auf dem Cover seines ersten Albums Low Budget (1994) beschreibt mit passender Ironie das Dilemma des Schweizer Country- und Bluesgitarristen Thomas Erb. Denn zum dogmatischen Standardvorwurf, dass weiße Männer vom Blues lieber die Finger lassen sollten, kommt in seinem Fall noch das Zuhausesein im Land des Fondue und der Velos.

Erb hat aus seiner Not nicht nur eine hörenswerte Tugend, sondern auch ein einprägsames Pseudonym entwickelt: Als Hank Shizzoe gelingt es ihm schon nominell, eine Referenz an den mythischen Übervater Hank Williams sr. mit dem Widerspruch seiner unabänderlich helvetischen, gar alpinen Prägung zu verbinden. Ihm geht es nämlich, seines Mankos an Authentizität eingedenk, um die einzigartige Disposition der Blues- und Countrymusik zum Erzählen von Geschichten und Alltagsmythen. Während etwa seine Landsleute Die Aeronauten ihre Ausflüge in den Countrykosmos mit Verfremdungseffekten spicken, halten Shizzoe und seine Band Loose Gravel trotz eigenwilliger Texte am traditionellen Erscheinungsbild bluesorientierter Rockmusik fest, ohne sich in ein Korsett pressen zu lassen, wie es von Puristen gerne postuliert wird.

Nach mehr als 500 Konzerten und vier Longplayern liegt nun das Doppelalbum In Concert vor, auf dem Shizzoe und Loose Gravel von dem Gitarristen Sonny Landreth aus Louisiana begleitet werden, dessen Unterstützung in weit mehr als dem Schwenken seiner edlen Gibson „Les Paul“ besteht. Stampfende Bluesrhythmen sind bei Shizzoe und seinen Mitmusikern Michel Poffet (Bass) und Christoph Beck (Drums) ebenso angesagt wie satt abgehangene Melodien und skurrile Anekdoten über schlaflose Nächte oder die Angst vorm Weihnachtseinkauf. Am liebsten möchte Hank Shizzoe seine Platten in den Regalen mit Folk, Bluegrass und Country stehen sehen, das Spektrum seiner Vorbilder reicht von Ry Cooder und J.J. Cale bis zu John Fogerty, der zum vorletzten Studioalbum Plenty Of Time ein typisches Swamp-Blues-Stück beisteuerte.

Und was das Erzeugen einer durchaus mit dem Mississippi-Delta (oder seinem gepflegten Bild) kompatiblen Honky-Tonk-Atmosphäre angeht, rangiert Shizzoes Live-Album locker in einer Liga mit Dale Watsons großartiger Countryperformance Preachin‘ To The Choir (2001). Um also während des Konzertes vor lauter simulierter Echtheit keiner Bewusstseinsspaltung zu erliegen, ist die Anreise zum Downtown Blues Club gewohnt urban zu empfehlen: mit U/S-Bahn oder dem Fahrrad.

MATTHIAS SEEBERG

Dienstag, 21 Uhr, Downtown Blues Club (Hindenburgstr. 2)