„Die Spardebatte stärkt EU-Gegner“

Der Grüne Rainder Steenblock kritisiert die von der Bundesregierung angestoßene Nettozahlerdebatte

taz: Herr Steenblock, Außenminister Fischer spricht gern davon, wie sehr Deutschland von der Osterweiterung profitiert. Und jetzt soll den zehn neuen Mitgliedern der Geldhahn zugedreht werden …

Rainder Steenblock: Ich habe die Debatte über das Einfrieren des EU-Haushalts auf ein Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens nie ganz verstanden. Es ist doch klar, dass für eine EU mit 27 Mitgliedern mehr Geld benötigt wird. Wir brauchen jetzt aber eine Debatte über die Aufgaben, die die Union finanzieren muss. Für mich steht die EU für Innovation und Solidarität. Sie darf nicht in den Geruch kommen, mit ihrem Geld die Probleme zu lindern, mit denen die Staaten nicht selbst fertig werden. Ihre Politik muss vielmehr zeigen, wie wir uns das Europa der Zukunft vorstellen. Dem wird der jetzt vorgestellte Haushaltsentwurf der EU-Kommission gerecht.

Das sieht der Bundesfinanzminister wohl nicht so.

Wir haben hier in der Koalition etwas unterschiedliche Positionen. Natürlich geht es den Grünen auch um Haushaltskonsolidierung. Andererseits muss man aber doch berücksichtigen, wie stark Deutschland als größter Exporteur nach Osteuropa von der Erweiterung profititiert. Wenn die armen Regionen dort durch die EU-Strukturförderung reicher werden, dann nutzt uns dies auch. Es ist in unserem Interesse, die Infrastruktur in den Beitrittsländern auszubauen.

Ist die Debatte über die Begrenzung des Haushalts nicht ein Beispiel für die Renationalisierung der Politik?

Ja, genau hier liegt die Gefahr. Es entsteht der Eindruck, dass wir unter Zwang Geld nach Brüssel abgeben müssen. Die Haushaltsdebatte könnte so populistischen antieuropäischen Stimmen ein Fundament bieten. Das ist vor allem im jetzt beginnenden Europawahlkampf gefährlich.

Aber hat Hans Eichel nicht Recht, wenn er sagt: Die Kommission fordert von Berlin die Einhaltung der Euro-Stabilitätskriterien – und gleichzeitig sollen wir mehr Geld nach Brüssel überweisen?

Die Steigerung des EU-Haushalts ist nicht so dramatisch, wie das manchmal von der Bundesregierung dargestellt wird. Andererseits muss auch Brüssel mögliches Einsparpotenzial nutzen. Außerdem soll ja nun auch ein Rabatt für alle Nettozahler, also etwa so wie bisher für Großbritannien, eingeführt werden. Auch die Bundesregierung ist der Ansicht, dass Konsolidierung und Wachstum zusammengehören, und die EU-Kommission will die Ausgaben künftig gerade auf die innovativen Wachstumsbereiche konzentrieren.

Fast 50 Milliarden Euro sind weiter für Agrarsubventionen vorgesehen. Hier könnte man prima sparen.

Diese Idee ist natürlich sympathisch. In der Realität aber wird das nicht funktionieren. Wir haben jetzt schon den Streit zwischen Nettozahlern und Empfängern. Hinzu kommt die Debatte über die Verfassung. Für eine weitere grundsätzliche Auseinandersetzung bleibt keine Kraft mehr.

Es gibt die Befürchtung, dass die EU jetzt mindestens zwei Jahre durch die Haushaltsdebatte lahm gelegt wird.

Ich bin da optimistischer. Der jetzt vorliegende Entwurf der Kommission sieht weniger Ausgaben vor als zunächst von den Nettozahlern befürchtet. Ich denke, darauf wird man sich bis Mitte kommenden Jahres einigen können. Wer weniger Ausgaben will, muss auch sagen, wo er sparen möchte.

Der Bundesfinanzminister scheint es zu wissen. Er hat immer wieder deutlich gemacht, dass die ostdeutschen Länder auf EU-Förderung verzichten müssen.

Bisher ging man ja davon aus, dass die ostdeutschen Länder nach der Erweiterung keinen Anspruch mehr auf die so genannte Ziel-1-Förderung haben, weil die über dem Kriterium von 75 Prozent des BIP der EU liegen. Doch nun ist die wirtschaftliche Entwicklung dort so schlecht, dass sie wohl unter den 75 Prozent bleiben werden. Politisch wäre es außerdem völlig falsch zu sagen: Ostdeutschland bekommt kein Geld mehr, weil dies nun nach Osteuropa geht.

Sollte man nicht eine EU-Steuer einführen? Dann wüssten die Bürger, wie viel Geld sie für die EU zahlen.

Natürlich muss die Transparenz größer werden, sowohl bei den Einnahmen als auch den Ausgaben der EU. Eine Debatte darüber ist aber jetzt im Wahlkampf nicht möglich. Eine Steuerdebatte wird meist zu einer Steuererhöhungsdebatte. Und das würde die antieuropäischen Tendenzen weiter stärken.   INTERVIEW: SABINE HERRE