Analyse: Die SPD vor dem Landesparteitag
: Müntefering schweigt

Er wird nicht reden: Auf dem Landesparteitag der Sozialdemokraten am Samstag in Bochum wird der designierte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering nur ein kurzes Grußwort an seine Parteifreunde richten – und so den Mythos um seine Person weiter erhöhen. „Münteferings Geheimnis ist seine Bescheidenheit“, sagt ein führender NRW-Genosse.

Reden wird dagegen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sich noch einmal um die bisher gescheiterte Vermittlung seines Reformkurses bemühen wird. Hatte Schröder beim Bundesparteitag im November ebenfalls in Bochum nur Höflichkeitsapplaus erhalten, hat der Kanzler am Samstag bessere Chancen: Sein Rücktritt als Parteivorsitzender hat die Genossen bis hin zum nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Harald Schartau überrascht, dürfte den Druck auf Schröder reduzieren.

Wie auch das Programm: Inhaltliche Überraschungen wird es in Bochum kaum geben. Der größte Landesverband steht hinter Schröders Kurs des Dynamisierung genannten Sozialabbaus, der Leitantrag liest sich in weiten Passagen wie aus der Feder des geschassten Generals Olaf Scholz: Die Nordrhein-Westfalen wollen die Reformen besser vermitteln. Ein „Leitbild Gerechtigkeit“ soll soziale Ausgewogenheit verdeutlichen. „Es geht um Generationen-, Geschlechter, Steuergerechtigkeit“, sagt ein enger Mitarbeiter des Landesvorsitzenden Schartau. Gerechtigkeit: So könne endlich dem „Schrei nach Orientierung, der sich von den Ortsvereinen bis zu der höheren Funktionärsebene breitmacht“, Rechnung getragen werden. Kritik will der Landesvorstand konstruktiv kanalisieren: „Wir sind eine lebendige Partei. Der Druck muss raus“, sagt ein Mitglied des Präsidiums.

Ansonsten viele Rechenschaftsberichte, viele Aussprachen. Und eine Grundsatzrede Schartaus, der das soziale Profil betonen, wieder Nachbesserungen bei den neu eingeführten Krankenkassenbeiträgen auf Betriebsrenten fordern wird – natürlich ohne Chance auf Realisierung: „Man kann die Gesundheitsreform nicht wieder aufschnüren“, ist aus dem Landesvorstand zu hören.

Der SPD-Krise zum Trotz – auch mit personellen Überraschungen rechnet niemand. Landeschef Schartau wird genauso wiedergewählt wie sein Generalsekretär Groschek, für die scheidenden stellvertretenden Vorsitzenden Dieter Hinkelmann und Gabriele Behler rücken für die Region Mittelrhein Karl Schultheis und die Essener Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp-Nowicki nach. Die Ostwestfalen gehen leer aus – die kleine Region war mit Behler und Schatzmeister Axel Horstmann, der durch den Hammer Gewerkschafter Norbert Römer ersetzt wird, in den vergangenen zwei Jahren überrepräsentiert: „Das ist ausgleichende Gerechtigkeit.“

ANDREAS WYPUTTA