Reformer in der Warteschleife

Der Stuttgarter Bezirksleiter Berthold Huber gibt sich loyal und wird nur Vize. Jetzt muss er vier Jahre mit einem Chef auskommen, dessen Politikstil er nicht teilt

STUTTGART taz ■ Berthold Huber sitzt in einem Konferenzsaal der Stuttgarter IG-Metall-Bezirksleitung. Er steckt sich eine Marlboro light an und ist richtig aufgebracht, was eher selten vorkommt. Mitten in die Tarifverhandlungen im baden-württembergischen Pilotbezirk war Jürgen Peters geplatzt mit der Aussage, es gehe nur um „Geld, Geld und nochmals Geld“. Huber ist erzürnt: „Das ist doch Wahnsinn, die Gewerkschaft darauf zu reduzieren, es geht doch nicht nur um Geld.“

Das war vor knapp einem Jahr. Jetzt musste sich Huber in Dresden hinstellen und sagen: Er habe seinen persönlichen Wunsch, Vorsitzender zu werden, aus Loyalität zur IG Metall zurückgestellt. Zähneknirschend hat er das vermutlich getan. Denn jetzt muss er als Vize mit einem Chef auskommen, dessen Politikstil er nicht teilt.

Huber, 53, war der Favorit des scheidenden Klaus Zwickel, auch weil der ihm eher zugetraut hat, die Gewerkschaft zu modernisieren. Der Stuttgarter Noch-Bezirksleiter gilt als Reformer, als feiner Rhetoriker, der markigen Sprüchen (etwa von Peters) nicht viel abgewinnen kann. „Bevor man auf den Barrikaden des Klassenkampfes Siege erringen kann, muss man intellektuelle Siege erringen“, sagt der hagere Kettenraucher. Oder wenn mal wieder der Kampfbegriff „neoliberal“ (etwa von Peters) ins Feld geführt wird, dann erklärt Huber lapidar, „das ist doch Pawlow“.

Eines der Lieblingsthemen Hubers ist zum Beispiel berufliche Weiterbildung – und er hat dies Feld 2001 mit dem Weiterbildungstarifvertrag mit individuellem Anspruch auf Qualifizierung auch erfolgreich beackert. Auch den Einstieg in das Reformwerk eines gleichen Entgelts für Arbeiter und Angestellte, den Entgeltrahmentarifvertrag, hat Huber vereinbart. Und dass er, nebst diesen innovativen Teilen der Tarifverhandlungen, auch hart um Löhne kämpfen kann, hat er im vergangenen Jahr bewiesen, als er den Arbeitgebern 4,1 Prozent abgerungen hat.

Bei aktuellen Themenfeldern lehnt Huber Positionen von Politikern und Arbeitgebern nicht grundsätzlich ab. Über Kündigungsschutz, die heilige Kuh der Gewerkschaften, müsse man doch theoretisch nachdenken dürfen. Genauso übrigens wie über zweistufige Tarifverträge mit größerer Eigenständigkeit für die Betriebe.

Huber ist nicht der klassische Metaller wie Peters. Seine Karriere durchziehen Brüche: Der in Ulm geborene Schwabe hat Werkzeugmacher gelernt beim Ulmer Omnibushersteller Kässbohrer. Dort war er Chef des Gesamtbetriebsrats. Nach 14 Jahren hatte er genug von der Werkbank und studierte Geschichte und Philosophie – ohne Abschluss. Nach der Wende wurde er Bezirksleiter in Sachsen und half beim Aufbau der Gewerkschaft im Osten. Ein kurzes Intermezzo: Er legte nach gescheiterter erster Ehe eine 18-monatige Karrierepause ein, um sich als allein erziehender Vater um seine Tochter Jenny zu kümmern. Erst 1991 ging er wieder zurück zur IG Metall – zunächst als Leiter der Abteilung Tarifpolitik in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale. 1998 wurde er Bezirksleiter in Stuttgart. Und nun eben Vize.

Huber ist 53, Peters immerhin schon 59. Mehr als eine Amtszeit wird Huber wohl nicht warten müssen, um 2007 aufzurücken zum IG-Metall-Chef. So will es ja die gute, alte Metallertradition. Und zumindest dieser Tradition wird sich der Modernisierer Huber in vier Jahren wohl nicht verschließen. THILO KNOTT