Müntefering legt Clement um

Die Lehrstellenumlage wird zur Kraftprobe zwischen Wirtschaftsminister Clement und Parteichef Müntefering. Obwohl Clement bei seiner Ablehnung bleibt, wollen sich die Fraktionen von SPD und Grünen heute auf Eckpunkte für ein Gesetz einigen

„Alles, was die Wirtschaft einzahlt, muss wiederan die Wirtschaftausgezahlt werden“

AUS BERLINANDREAS SPANNBAUER

Obwohl sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nach wie vor quer stellt, wollen sich die Fraktionen von SPD und Grünen heute über die Lehrstellenabgabe einig werden. „Die Eckpunkte sollen bis Ende der Woche klar sein“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Grietje Bettin der taz. Das Gesetz solle „noch für das Ausbildungsjahr 2004“ greifen.

Anfang März wollen die Regierungsfraktionen einen Entwurf vorlegen. Doch bisher unterscheiden sich die Pläne von SPD und Grünen erheblich. So halten die Grünen die Finanzierung von außerbetrieblichen – also staatlichen – Ausbildungsplätzen für falsch. „Alles, was die Wirtschaft einzahlt, muss auch wieder an die Wirtschaft ausgezahlt werden“, sagte Bettin. Die Grünen wollen so die Kritik der Wirtschaftsverbände umgehen. Die meisten Unternehmen lehnen die Abgabe als teuer und bürokratisch ab. Wenn das Geld jedoch zwischen den Firmen umverteilt werde, könne nicht von einer „Verstaatlichung“ die Rede sein. Die SPD will dagegen auch die außerbetriebliche Ausbildung fördern, um Engpässe bei den Lehrstellen zu vermeiden.

Bei der Umlage soll für jeden Betrieb ein Ausbildungssoll festgelegt werden, das sich aus der Beschäftigtenzahl ergibt. Fehlen zu Beginn des Ausbildungsjahres Stellen, müssen Betriebe, die zu wenig Plätze angeboten haben, zahlen. Mit dem Geld werden zusätzliche Lehrstellen in anderen Unternehmen finanziert. Die Höhe der Zuschüsse soll sich an den Nettokosten eines Ausbildungsplatzes – zwischen 5.000 und 8.000 Euro – orientieren.

Über die Frage, welche Betriebe von der Regelung ausgenommen bleiben, müssen sich SPD und Grüne noch verständigen. Die SPD will Kleinbetriebe mit bis zu fünf Beschäftigten befreien, die Grünen sehen die Schwelle bei zehn Mitarbeitern. Die Verwaltungskosten sind ebenfalls unklar. Bettin sagte dazu nur, es sei ein „gewisser organisatorischer Neuaufwand“ nötig.

Die Abgabe wäre eine Niederlage für Wirtschaftsminister Clement, der gestern im Bundestag indirekt vor ihrer Einführung warnte: „Einigungen aus freien Stücken sind besser als gesetzliche Regelungen.“ Die grüne Abgeordnete Thea Dückert sagte demgegenüber der taz, der Entwurf sehe einen „absoluten Vorrang für freiwillige Lösungen“, etwa durch eine Einigung der Tarifpartner, vor. Im Wirtschaftsministerium hielt man dagegen, es dürfe keine Belastungen für die Wirtschaft geben, um die Konjunktur nicht zu gefährden.

Damit scheint der Partei- und Fraktionschef der SPD, Franz Müntefering, aus dem Machtkampf mit Clement als Sieger hervorzugehen. Aus Kreisen der Regierungsfraktionen hieß es dazu, es könne vorkommen, „dass sich ein Ministerium nicht durchsetzen kann“. Der CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz bot Clement die Hilfe der Union an, um die Abgabe zu stoppen. Ein Mittel dazu hat die CDU freilich nicht – weil voraussichtlich das Bundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB) oder eine Stiftung die Umlage verwalten werden, muss der Bundesrat nicht zustimmen.