„Der Abschluss ist ein kleiner Schluck zu viel für die Arbeitnehmer“

IW-Tarifexperte Rolf Kroker hätte sich vom Abschluss im Südwesten einen größeren Impuls für den Arbeitsmarkt gewünscht. „Darauf kann sich keine Partei ausruhen“, sagt er

taz: Herr Kroker, während der Tarifrunde wurde immer wieder den Teufel an die Wand gemalt und davor gewarnt, bloß nicht das „zarte Pflänzchen“ des Aufschwungs in Deutschland zu zertrampeln. Wird das Pflänzchen mit diesem Abschluss nun ausgetrocknet oder gegossen?

Rolf Kroker: Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass dieser Tarifabschluss die Konjunktur jetzt abwürgt oder ihr gar den Todesstoß gibt.

Wie weit würden Sie denn dann gehen?

Es wäre sicherlich besser für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und damit die Konjunktur gewesen, wenn der Lohnabschluss niedriger ausgefallen wäre. Der jetzige Abschluss mit zwei Nullmonaten, 2,2 Prozent im ersten und 2,7 Prozent im zweiten Jahr macht im Schnitt eine Lohnerhöhung von 2,3 Prozent. Das ist ein kleiner Schluck zu viel für die Arbeitnehmer. Folglich wird weiterhin Rationalisierungsdruck auf den Unternehmen lasten. Die ganz große Freude wird in den Betrieben also nicht aufkommen.

Wann wäre denn die Freude groß gewesen?

Wenn sich der Lohnabschluss an den Produktivitätsfortschritt von 1,4 Prozent gehalten hätte. Ich erwarte daher nicht, dass von diesem Abschluss positive Beschäftigungsimpulse ausgehen.

Ist das nicht zu einfach, davon auszugehen, dass eine geringere Lohnerhöhung automatisch mehr Arbeitsplätze schafft?

Das ist aber empirisch erhärtet. Unseren Berechnungen zufolge kann gesamtwirtschaftlich betrachtet eine Abweichung vom Produktivitätsfortschritt um ein Prozentpunkt nach unten oder nach oben im Verlauf von drei Jahren entweder mindestens 130.000 Arbeitsplätze schaffen oder zerstören.

Der Tarifabschluss zur Flexibilisierung der Arbeitszeit senkt dagegen die Kosten. In diesem Punkt müsste doch immerhin Freude in den Unternehmen aufkommen?

Natürlich bedeutet die Erhöhung der Quote eine Kostensenkung. Dadurch, dass in Betrieben mit einer hoch qualifizierten Belegschaft nun 50 Prozent bis zu 40 Stunden arbeiten können, fallen die teuren Überstundenzuschläge für die Betriebe weg. Und außerdem ist es für die Metall- und Elektrobranche wichtig, dass sie den Mangel an Fachkräften mit dieser Regelung teilweise kompensieren kann. Dennoch ist das Lohnkostenproblem nicht gelöst. Ein allgemeiner Arbeitszeitkorridor mit bis zu 40 Stunden und in bestimmten Fällen ohne Lohnausgleich hätte die Kosten stärker gesenkt, aber das war offensichtlich nicht durchsetzbar.

Herr Kroker, haben die Tarifparteien nun ihre Aufgabe erfüllt, den Tarifvertrag flexibler zu gestalten?

Es ist ein Schritt nach vorne, wir sind aber noch nicht am Ziel. Was nach wie vor fehlt, ist eine Öffnungsklausel, die ein betriebliches Bündnis für Arbeit auch ohne explizite Zustimmung durch die IG Metall möglich macht. Weder die IG Metall noch der Arbeitgeberverband werden sich auf diesem Abschluss ausruhen können.

INTERVIEW: THILO KNOTT