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Nigerianer testen die Demokratie

Mit Parlamentswahlen beginnt eine Wahlserie in Afrikas bevölkerungsreichstem Land. Das Chaos im Vorfeld ist immens, die Gültigkeit der Wahl steht bereits infrage

BERLIN taz ■ Die erwachsene Hälfte von Nigerias 120 Millionen Einwohnern beginnt morgen eine Serie von Vertrauensabstimmungen über Nigerias junge Demokratie. Der Wahlreigen beginnt mit der Neuwahl des Parlaments am 12. April, worauf am 19. April die Wahl des Präsidenten und der 36 Provinzgouverneure und am 3. Mai die der Provinzparlamente folgt. So werden alle Institutionen komplett erneuert, die 1999 nach über 15 Jahren brutaler Militärdiktatur entstanden.

Das Parlament, nach US-Modell in ein Repräsentantenhaus und einen Senat geteilt, hat keinen guten Ruf. Eine parlamentarische Tradition hat Nigeria nicht, auch keine in der Bevölkerung verankerten Parteien. Die regierende PDP (People’s Democratic Party) von Nigerias 1999 gewähltem Präsidenten Olusegun Obasanjo hat zwar die Parlamentsmehrheit, aber die Abgeordneten sehen ihre Aufgabe meistens darin, den Präsidenten zu erpressen, und verzettelten sich im letzten Jahr sogar mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen Obasanjo.

Es ist üblich, dass Nigerias Präsident die vom Parlament verabschiedeten Gesetze nicht in Kraft setzt, während das Parlament die von der Regierung eingebrachten Entwürfe in Ausschüssen schmoren lässt. So hatte Nigeria in den letzten Jahren öfter keinen gültigen Staatshaushalt, Reformvorhaben wie die Neuaufteilung der Öleinnahmen und ein neues Wahlgesetz blieben blockiert. Das Regierungshandeln bewegte sich daher am Rande der Verfassungswidrigkeit, und es wurde weniger über Inhalte gestritten als über Formalien und Verfahrensfragen.

An diesen Zuständen dürfte sich unabhängig vom Wahlausgang wenig ändern, da keine Veränderung der mafiösen politischen Kultur Nigerias in Sicht ist. Bei der Ernennung der Parlamentskandidaten auf Wahlkreisebene passierte es jetzt oft, dass Parteiführer die von der Basis nominierten Kandidaten zugunsten ihrer eigenen Favoriten verwarfen und die Basisvertreter sich dann eine andere Partei suchten. Die Zeitung Vanguard nennt die Parlamentswahl daher einen „Wettbewerb zwischen Paten und ihren verlorenen Söhnen“, dessen Ergebnis nichts über die relative Stärke der Parteien aussagen werde. Die führende Oppositionspartei ANPP (All Nigeria People’s Party), gestützt von konservativen Militärs, rechnet sich dabei gute Siegeschancen bei den Parlamentswahlen aus, zumal die zerstrittene PDP erst diese Woche ihren Fraktionschef im Repräsentantenhaus ausschloss. Bei Umfragen zur Präsidentschaftswahl liegt allerdings Obasanjo weit vor allen Rivalen.

Sorge bereitet das Ausmaß von Unregelmäßigkeiten. Bereits im April 2002 mussten Kommunalwahlen wegen chaotischer Vorbereitung auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Diesmal hätte die Wahlkommission (Inec) laut Wahlgesetz das Wahlregister 60 Tage vor der Wahl veröffentlichen müssen, damit alle Bürger überprüfen können, ob sie auch draufstehen; das Register mit 64 Millionen Namen wurde schließlich erst Ende März publik gemacht, und die Wahlberechtigten können erst seit diesem Dienstag in den Wahlbüros ihre Registrierungsbestätigung gegen Wahlkarten eintauschen, mit denen sie wählen gehen dürfen. Bis Samstag bleibt da keine Zeit mehr, um eventuelle Fehler zu korrigieren.

Viele Menschen haben bereits gemerkt, dass sie nicht auf den Wahllisten stehen – während in manchen Gegenden viel mehr Namen auf den ursprünglichen Wahllisten stehen, als es Wahlberechtigte gibt. Die Listen sind seit ihrer Veröffentlichung nach Angaben der Wahlkommission um sechs Millionen Namen gekürzt worden, aber es ist unklar, ob sie nun korrekter sind als vorher.

Vermutlich könnten Nigerias Gerichte also die komplette Wahl hinterher wegen Formfehlern für ungültig erklären. Dann müsste ab dem Ablauf von Obasanjos regulärer Amtszeit am 29. Mai eine Übergangsregierung richtige Wahlen organisieren. Oder es gibt einfach einen Putsch. DOMINIC JOHNSON

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