Das Spiel stagniert

Am Rande des morgigen All-Star-Spiels in Los Angeles wird auch Kritik an der NBA und ihrer Gepflogenheiten laut

LOS ANGELES taz ■ Ein Pass. Ein Wurf. Zwei Punkte. Der Sieg. Und Jubel. Am liebsten hätte Earvin Magic Johnson seinen Mitspieler Kareem Abdul Jabbar anno 1979 nach dessen entscheidendem Wurf gar nicht mehr losgelassen. Daran erinnert sich der Umarmte noch 25 Jahre später. Und dass diese Jubelszene nicht einem Finalspiel der nordamerikanischen Profibasketball-Liga NBA, sondern nur dem Sieg im ersten von 82 Saisonspielen folgte.

Es sind dieser Enthusiasmus und diese Liebe zum Spiel, für die die Basketballfans in den USA und besonders im „Laker-Land“ Los Angeles Magic Johnson bis heute verehren. Deshalb erklangen Sprechchöre für den 44-Jährigen, als am Rande des Sonntagnacht (MEZ) stattfindenden 53. All-Star-Games in der kalifornischen Metropole eine Bronzestatue zu seinen Ehren eingeweiht wurde. Keine Sprechchöre, sondern Buhrufe gab es hingegen, als David Stern an das Mikrofon trat. Der NBA-Commissioner steht für die heutige NBA und ist damit ein Opfer des eigenen Erfolgs. Seit seinem Amtsantritt vor genau 20 Jahren hat er die NBA, mit maßgeblicher Unterstützung von Magic Johnson, Larry Bird und natürlich Michael Jordan, zu einem vorbildlich funktionierenden, komplett durchkommerzialisierten Sport- und Showbetrieb mit hoher Hallenauslastung und üppigen Fernsehverträgen gemacht. Das ist gut. Schlecht hingegen ist, dass das Spiel der wirtschaftlich so erfolgreichen Liga auf dem Parkett stagniert. Die so genannte Showtime, mit der Magic Johnsons Los Angeles Lakers in den Achtzigerjahren begeisterten, findet sich nur noch als Schriftzug auf bunten Merchandising-T-Shirts. Showtime heute ist die NBA-Jamsession aus Videospielen, mobilem McDonald’s-Restaurant und dem in episch ausgebreiteten Erinnerungen schwelgenden Ian Naismith, Enkel von Basketballerfinder Dr. James Naismith. Durch den lauten Karnevalspark werden im Messezentrum von Los Angeles in fünf Tagen erwartete 100.000 Basketballfans geschleust. Sie können sich kaum ein teures NBA-Ticket und erst recht kein All-Star-Game-Ticket leisten. Für 20 Dollar, Kinder bezahlen 12 Dollar, glauben sie sich aber in der Jamsession ihren Stars näher.

Die spielen zwar immer noch das spektakulärste und beste Basketball der Welt, aber oftmals fehlen eben Enthusiasmus und Liebe zum Spiel. LeBron James, der hoch gehandelte, 19-jährige Rookie der Cleveland Cavaliers, tritt zum All-Star-Duell der Nachwuchsspieler an, für den folgenden Slam-Dunk-Wettbewerb hat er wegen eine Knöchelverletzung aber schon vorsorglich abgesagt. Nicht um ihn speziell, sondern um die NBA-Spieler im Allgemeinen scheint sich Marc Cuban im Vorfeld des All-Star-Wochenendes zu sorgen. Dem Inhaber der Dallas Mavericks, für die der Würzburger Dirk Nowitzki spielt, der es zwar erneut in die Westauswahl geschafft hat, dort allerdings nicht in der Starting Five steht, ist das Mitwirken von NBA-Profis im amerikanischen Dreamteam bei den Olympischen Spielen in Athen ein Dorn im Auge. „Die Spieler müssen sich entscheiden: Entweder sie verdienen Millionen von Dollar bei ihrem Club, oder sie wollen zu den Spielen. Wenn es für mich so wichtig ist, für mein Land zu spielen, dann unterschreibe ich keinen Vertrag“, so Cuban, der viel lieber Collegespieler zur Olympiade schicken würde. Sein „Kreuzzug für überbelastete Profis“ (New York Times) hat einen einfachen Grund, den der Mav-Besitzer kurz und knapp so umschreibt: „Wer bezahlt für ihre Verletzungen? Ich.“

Auf ihr Geld achten auch verstärkt die Los Angeles Lakers und haben wegen unterschiedlicher Gehaltsvorstellungen die Vertragsverhandlungen mit Erfolgstrainer Phil Jackson, der drei Titel in den letzten vier Jahren nach Kalifornien geholt hat, auf Eis gelegt. Nicht nur deshalb wünschte sich Magic Johnson zur Einweihung seiner Bronzestatue, dass die Lakers von heute wieder mehr wie seine alten Lakers werden. Das gab reichlich Applaus von den Fans. Und mit Blick auf Gouverneur Arnold Schwarzenegger lotetet die LA Times gleich Magic Johnsons Chancen auf das Bürgermeisteramt von Los Angeles aus. Dafür würde zumindest seine Popularität sprechen, von der selbst die heutigen NBA- und Lakers-Profis Shaquille O’Neal und Kobe Bryant nur träumen können.

THORSTEN SCHABELON