Gesucht: Neue Ziele

Bei der Friedensbewegung ist die Freude über den Sturz Saddam Husseins gedämpft

Friedensaktivist: Der Denkmalsturz in Bgadad war eine Medieninszenierung

aus Berlin MATTHIAS BRAUN

Wer gestern den Krieg im Irak beurteilen wollte, konnte sich zweier verschiedener Bilder bedienen. Das eine zeigte Bewohner Bagdads dabei, wie sie eine Hussein-Statue stürzten. Das andere zeigte erste Plünderungen, die das Machtvakuum in der irakischen Hauptstadt ermöglicht hatte. Das Material erlaubte freudige und pessimistische Interpretationen. Die Friedensbewegung entschied sich für letztere.

„Der Denkmalsturz bedeutet nicht das Kriegsende“, sagte Kristian Golla von der Friedenskooperative. Gefreut habe er sich deshalb nicht. Vielmehr halte er die Bilder aus Bagdad für eine Medieninszenierung. Es werde weiter zivile Opfer geben. Nur wenig optimistischer äußerte sich Christoph Bautz von der „Resist“-Kampagne. Zwar freue er sich, dass das Hussein-Regime gestürzt sei. Dennoch sei völlig unklar, ob es im Irak zu einer demokratischen Entwicklung kommen werde. Peter Strutynski vom „Bundesausschuss Friedensratschlag“ sieht wegen des Krieges die radikalislamischen Fundamentalisten gestärkt. „Sie werden den Nahen und Mittleren Osten weiter destabilisieren“, sagte er. Es gebe keinen Grund, „nun mit den Wölfen zu heulen“.

Einig waren sich die Friedensaktivisten auch darin, dass dem amerikanisch-britischen Feldzug weiter die Legitimation fehle. „Der Fakt, dass die Amerikaner internationales Recht gebrochen haben, ist auch nach einem Sieg nicht vom Tisch“, sagte Golla. Mit ihren Demonstrationen habe die Friedensbewegung dafür gesorgt, dass völkerrechtswidrige Kriege künftig schwerer durchsetzbar seien, ergänzte Bautz.

Mit dieser Haltung rufen die Friedensbewegten dazu auf, sich an dem europaweiten Protesttag am kommenden Samstag zu beteiligen. In einem Dutzend Städte sind Kundgebungen und Umzüge geplant (siehe Kasten). Allerdings erwarten die Veranstalter weniger Teilnehmer als zu früheren Aktionen. Der Konflikt werde mit dem nahenden Kriegsende für viele weniger überschaubar, sagte Golla.

Der „Bundesausschuss Friedensratschlag“ hat deshalb ein Papier herausgegeben, in dem er neue politische Ziele vorschlägt. Europa dürfe jetzt nicht weiter aufgerüstet werden, heißt es. Die Friedensbewegung müsse sich für Strategien einsetzen, die künftig Konflikte verhindern. Außerdem solle man sich in die Neuformulierung der „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ einmischen, an der zurzeit das Bundesverteidigungsministerium arbeitet. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac erklärte, Äußerungen von US-Politikern in der Siegeseuphorie ließen befürchten, dass Präsident Georg W. Bush „seinen Hegemonialfeldzug“ fortsetzen wolle. Die Friedensbewegung habe allen Grund weiterzumachen.