Das Straßenbild

Die Reklamerezension. Heute: Und ewig lockt der Mammon

Im ersten Moment zuckt man regelrecht zusammen. Und stutzt gleichzeitig, warum man so reagiert. Immerhin, früher war das Dollarzeichen noch ein Synonym für angewandten Dagobertismus, fürs Geldscheffeln und auch Wiederrausschmeißen, das raffende Kapital, Wohllebe, Saus & Braus, Jetset, meinetwegen auch Las Vegas. Jetzt prangt es auf Plakatwänden vor nachtdunklem Himmel – und wir zucken zusammen. Liegt das am Irakkrieg? Wohl kaum, denn allen „Kein Blut für Öl“-Parolen zum Trotz hat das doppelt durchgestrichene S als Synonym für US-Hegemonie keine übermäßige Konjunktur auf den globalen Friedensdemonstrationen erfahren. Die Fokussierung auf den militärischen Einmarsch überlagert noch die bevorstehende politische und wirtschaftliche Invasion. Das kann’s also nicht sein.

Vermutlich zuckt man zusammen, weil das Dollarzeichen selten so standartenhaft eingesetzt wird. Sieht ja fast aus wie der Stecken, den die rosselenkende Viktoria auf dem Brandenburger Tor so siegestrunken in den Berliner Himmel reckt. Ulkig: Da wird für das Casino Berlin mit deutschen Assoziationen gespielt und doch mit Valuta geworben. (Eine Reverenz an alte DDR-Begehrlichkeiten? Oder wirft man am Alex tatsächlich Dollarnoten auf die Spieltische? Wo doch der Euro seit Monaten besser steht …?)

Sicher hätte die Werbeagentur für Berlins oberste Spielhölle ein weniger aggressives Bild finden können. Doch was gibt es auf dem real existierenden Alexanderplatz schon an bildmächtigem Material? Die Weltuhr? Die paar Kaufhäuser? Kein Vergleich. Oder wie wäre es mit einer Anspielung auf Franz Biberkopf? Absurd.

Wenn man es recht bedenkt, ist das verfremdete S-Bahn-Schild vollkommen adäquat: Es lockt mit der glänzenden Aussicht auf im wahrsten Sinne des Wortes unverdienten Reichtum – und zurück fährt man mit den letzten Groschen in der Tasche und … dem ÖPNV. REINHARD KRAUSE