Großzügige Akte überm Bett

Native Fotografien, farbintensive Pop Art und beruhigende Interieurskunst: Individualistische Wandgestaltung mit Mut zum Stilmix liegt im Trend. Einhörner und Skyline-bei-Nacht-Poster sind out

von CHRISTINE KEILHOLZ

Der Trend geht weg vom schwedischen Wohlfühlpaket, das zum Wandbord gleich ein stimmiges, gerahmtes Poster liefert. Stattdessen, so zumindest einige Experten, gewinnt die individualistische Einrichtung, die sich oft zwischen verschiedenen Stilen nicht entscheiden kann und gerade bezüglich Dekorationen Gegensätze vereint und der Sammelleidenschaft Raum bietet.

„Die Moden in Grafik, Malerei und Fotografie wechseln schnell“, erklärt beispielsweise André Hartwig, der als Mitarbeiter bei Art & Book auf der Grindelallee solche individualistischen Tendenzen ausgemacht hat. Aktueller Renner seien „native“ Fotografien, die mit Impressionen aus Asien oder Afrika warme, naturfarbene Exotik ins Wohnzimmer hauchen. Als Kontrast hierzu hat die derzeitige 80er-Welle quitschfarbige Pop Art zurück in die Wohnkultur geschwemmt. Großflächig finden solcherart Farbexplosionen auch außerhalb des Privaten ihr Heim und beleben dort zum Beispiel kühle Bürowände.

Fürs heimische Schlafzimmer rät Heino Keller von 1000 Töpfe zu erotischen Sujets – subtil oder sehr deutlich, meistens gemalt, selten fotografiert. „Die Palette“, so Keller, „reicht von großformatigen Akten bis hin zur klassischen weiblichen Rückenansicht.“ Anders als farbintensive Spektakel kommt die so genannte Interieurskunst eher leise daher. Motive wie Landschaften oder Naturobjekte sollen beruhigend wirken und Stimmungen erzeugen. Variantenreiche florale Großaufnahmen kämen sowohl in gediegenen Haushalten als auch im schicken Yuppie-Appartment zur Wirkung. „Wenn der Blick aus dem Fenster nur parkende Autos bietet“, meint Heino Keller, „gestaltet man sich Natur eben in der Wohnung.“

Kunst in der Küche soll fast ausschließlich eine aufgeräumte Kochatmosphäre unterstreichen und sei, so Keller, bei Käufern aller Altersgruppen begehrt. Drucke von sattgrünen Kräuterbüschen finden sich hier ebenso wie Pastasorten im Gruppenbild. Selbst totgeglaubte Küchenhelfer wie die Kaffeemühle im gerahmten Stillleben über dem Ceran-Kochfeld erinnern beim Rühren in der Tütensuppe an gute, traditionelle Nahrungszubereitung.

Die lange Zeit beliebten Skyline-bei-Nacht-Poster übrigens werden bei 1000 Töpfe derzeit wenig gekauft. Auch Fantasie-Szenen mit Einhörnern und Delfinen sind gnadenlos out und sollten dringend abgehängt werden. Dass allerdings Drucke ex- oder impressionistischer Werke momentan eher verschmäht werden, findet Kunstfachmann André Hartwig bedauerlich. „Stattdessen ist der Jugendstil wieder im Kommen.“

Generell muss bei der Auswahl von Kunst die Wandfarbe berücksichtigt werden, rät Hartwig: Knallige Drucke verlangen einen neutralen Hintergrund, der dem Bild „farblich nicht ins Gehege kommt“. Bei Rahmungen hingegen darf gespielt werden. Sie treten entweder dezent hinter dem Motiv zurück oder setzen ganz bewusst einen Kontrast in Szene. „Ein barocker Goldrahmen und ein schrilles Pop-Art-Original ergeben zusammen Kitsch“, weiß der Kunstfachmann. „Das ist Kitsch, der ebenso interessant wie belebend wirkt.“