berliner szenen Ausgerechnet Werner

Girl Talk

In der Schlange vor dem Expressschalter der Deutschen Bahn stehen zwei Frauen. Beide sind Mitte dreißig. Sie unterhalten sich über Jeanshosen, Dauerwellen und Männer. „Ich habe Probleme mit Werner“, sagt die eine. „Es läuft nicht so richtig.“ – „Das habe ich kommen sehen“, sagt die andere. „Warum musstest du auch so schnell eine neue Bindung eingehen? Dabei hast du noch zu mir gesagt: Ich brauch mal ’ne Auszeit nach Klaus, ich muss erst mal zu mir selbst finden.“ – „Ich hab zu mir gefunden, wirklich. Außerdem: Drei Monate können lang sein, und als ich Werner kennen lernte, hatte ich gleich das Gefühl, diesmal ist es anders, diesmal, dachte ich, hängt nicht alles an mir.“– „Ausgerechnet Werner.“

„Wie willst du das beurteilen? Ihr wart doch viel zu kurz zusammen.“ – „Hast du ’ne Ahnung. Den Werner hab ich echt durch. Der kriegt doch nichts auf die Reihe, der ist stinkfaul, genau wie Klaus. Du gerätst immer an die falschen Typen.“ – „Das musst du noch gerade sagen. Lothar hängt doch auch den ganzen Tag bei dir zu Hause rum. Dabei ist der viel jünger als Werner, der kann noch arbeiten.“

„Er hat mir neulich erklärt, warum er nicht arbeiten darf. Wenn die vom Finanzamt spitzkriegen, dass er arbeitet und Steuern abführt, dann muss er auch Unterhalt an seine Exfrau zahlen. Deshalb, meint er, ist es besser, nur schwarz zu arbeiten. Das Problem ist nur, er hat seit Monaten keine Aufträge mehr bekommen, und er kümmert sich auch nicht darum, von irgendwem neue zu erhalten. Stattdessen sitzt er stundenlang vor der Glotze und zieht sich die Gerichtsshows rein. Mach doch mal was mit den Kindern, hab ich zu ihm gesagt. Aber von meinen Kindern will er überhaupt nichts wissen.“

JAN BRANDT