Ein drastisches, aber seltsam blasses Afrika

Sie arbeitete als Kriegsreporterin in Afrika und schreibt über Genozid und den Club der Weißen. Ein Buch eroberte schlagartig die Bestsellerlisten

von ANDREAS KIRCHGÄSSNER

Den Job als Kriegsreporterin verflucht die Autorin Ulla Ackermann von der ersten Seite an. Die Gründe, warum sie ihn dennoch macht, sind alles andere als triftig. Mal sind es Geldnöte, Zwänge einer allein erziehenden Mutter, ihre Kinder durchzubringen. Mal verweist sie süffisant auf die Unverzichtbarkeit ihrer Reportagen: „Du bist eine News-Frau. Eine der besten …“, zitiert sie ohne jede Bescheidenheit ihren Chef. Doch: Ackermanns Berichte bleiben, wenn es um Afrika geht, seltsam blass. Nicht dass es an Drastik fehlte. Uganda, Somalia, Liberia, Ruanda, kein Genozid wird ausgelassen. Von Bergen Toter, von Madenkolonien in aufgebrochenen Leibern ist die Rede. Von unmotivierten und viehischen Morden durchgeknallter Despoten oder Kindersoldaten.

Ulla Ackermann – Exzigeunerin, Exmodel, Exadlige – erkennt schon bei ihrem ersten Kriegseinsatz, in den sie unvorbereitet und wie zufällig hineinstolperte, dass Afrika nicht zu retten ist, „weil Afrika sich nicht verändert“. Dieser zutiefst pessimistischen, ja deterministischen Sichtweise stellt sie ihre Liebe zu Afrika gegenüber. Genauer: die Liebe zur afrikanischen Natur. Ihre Beschreibungen gleiten an diesen Stellen vom schnoddrigen Erzählstil in oberflächlichen Kitsch ab, der sich bei genauerem Hinsehen zuweilen als blanker Unsinn entpuppt: „Wälder, so alt wie der Kontinent“, „der Geruch uralter, schwerer Erde“.

Trotz Begegnungen mit Bin Laden, Savimbi, mit Mandela, Nyerere, Sengor fehlt ihrem Buch die Originalität, das Berührende, das für Kapuscinskis Reportagen so kennzeichnend ist. Sie interessiert sich nicht für die Menschen. Nur für die aus ihrer weißen Umgebung. Kaut stattdessen den journalistischen Einheitsbrei wieder, mit dem wir stets gefüttert werden, wenn uns Afrika erklärt werden soll. Wenig über die Ursachen der Konflikte und ihre (oft weißen) Drahtzieher. Viel über die Monstrosität der beteiligten Schwarzen.

Mit erheblich mehr Liebe zum Detail setzt sie uns über ihr Privatleben ins Bild. Rechtfertigt sich, doch und trotz allem für ihre Kinder da gewesen zu sein. Auch für ihre Tochter Marie, deren Malariatod und dessen Umstände sie akribisch beschreibt, jetzt plötzlich zu nah, zu undistanziert, wie die Veröffentlichung ihres Tagebuchs. Auf 50 Seiten beschwört sie die Liebe zu ihrer Tochter. Die allerdings hatten wir nie in Abrede gestellt.

Das ist Ulla Ackermanns Anliegen: über sich, ihr Leben und ihren Job in Afrika Rechenschaft abzulegen. Dabei gleitet sie vom Monströsen des ruandischen Völkermords nahtlos in die Banalität des Gesellschaftslebens in Mombasa. Sie erzählt undistanziert, ohne ihre Rolle und die der medialen Inszenierungen zu reflektieren. Das ist gerade jetzt, inmitten des „Embedded Journalism“ fast unerträglich. Im Tratsch über sich und ihre Community ist sie manchmal witzig, oft geschwätzig und immer selbstverliebt. Nie aber dringt sie dorthin vor, wo sie zu sein behauptet: „Mitten in Afrika“.

Ulla Ackermann, Mitten in Afrika, Hoffmann und Campe, Hamburg, 286 Seiten, 21,90 €