orientexpress (3)
: Ein Tagebuch unseres Nahostkorrespondenten Karim El-Gawhary

„Inschallah“ – oder: Nachrichten vom Weg nach Bagdad

Wie reist man in ein Land ein, in dem es keine Regierung und keine staatlichen Institutionen mehr gibt? Mit einem großen „Inschallah – so Gott will“ auf den Lippen.

In der Visaabteilung der irakischen Botschaft in Kairo herrscht unter den dortigen Konsularbeamten eine eher phlegmatische Stimmung, gelegentlich akzentuiert vom Schlürfen des süßen irakischen Tees. Zumindest die unteren Chargen sind zur Arbeit erschienen, mit oder ohne Saddam Hussein. Es gebe keine Verbindung mehr mit Bagdad, fliegen Sie doch zu unserer Botschaft in Damaskus oder Amman und versuchen dort Ihr Glück – Inschallah –, lautet der knappe Rat.

In der irakischen Botschaft in Amman herrscht Aufbruchstimmung, zumindest was das Finanzielle angeht. Dort wurde schnell die Nachricht verbreitet, dass zwar der irakische Grenzposten geräumt ist, aber die jordanischen Grenzbeamten nur Leute mit einem gültigen Irakvisum weiterreisen ließen. Am Morgen wurden die letzten Visa an eine Gruppe Desperado-Journalisten für 1.200 Dollar das Stück vermarktet. Dafür drückte der Visabeamte nicht nur ein Auge zu, sondern auch ohne „Kontakt zum Außenminsterium in Bagdad“ den begehrten Stempel in den Pass. Zur Mittagsstunde stand dann nur noch der Pförtner hinter dem verschlossenen Tor und versuchte last minute noch seine Schäflein ins Trockene zu bringen. Sein Angebot: Gib mir eine Kopie deines Passes und 200 Dollar und morgen kannst du dein Visum abholen – Inschallah.

Doch dann wurde bekannt, dass sich die Jordanier an der Grenze von dem auf 60 Autos angeschwollenen Journalistenkorso nur noch ein Papier unterschreiben ließen, dass man vollkommen auf eigene Verantwortung und Gefahr das Land verlasse. Ein irakisches Visum, jahrelang Objekt heftiger journalistischer Begierde und Leidens, ist nun nicht mehr nötig. Etwa zur gleichen Zeit zog die jordanische Polizei einen Ring um die ohnehin inzwischen bedeutungsloseste diplomatische Vertretung der Welt.

Inzwischen kommt neue „Stille (Grenz-)Post“ von den Kollegen unterwegs fast im Stundentakt. Zu Redaktionsschluss haben amerikanische Soldaten den verlassenen irakischen Grenzposten übergenommen. Deren Politik: freundlich durchwinken, keine Interviews geben.

Zum Auftakt hat der Journalistenmob sich erst einmal der Post-Saddam-Hussein-Plünderorgie angeschlossen und sich im irakischen Grenzgebäude mit Tee und Kaffee versorgt. Dann fuhr der Trupp weiter ins Niemandsland. Angeblich kontrollieren die Amerikaner gerade einmal 100 Kilometer der Strecke nach Bagdad, die gute sieben Autostunden dauert. Wir warten in Amman unterdessen selber startbereit auf die erste Rückmeldung der Versuchskaninchen-Kollegen aus Bagdad nach deren Ankunft – Inschallah.