Ulla lässt Taxen stehen

Die Gesundheitsreform trifft auch Taxiunternehmen. Seitdem nur noch wenige Fahrten zum Arzt bezahlt werden, fahren sie 20 Prozent weniger

„In der Taxi-Branche gibt es nur Einzelkämpfer. Das ist ein einziges Hauen und Stechen“

VON MERJAM WAKILI

Um 6 Uhr beginnt das Warten der Taxifahrer. Dann kommen ein, zwei Fahrgäste, die zur Dialyse wollen. Und dann geht es weiter mit dem Warten. Bis mittags. Die Patienten müssen dann wieder nach Hause gebracht werden. Wenigstens drei Mal in der Woche können sich die Fahrer beim Taxi-Unternehmen Mörth-Truchly in Dortmund sicher sein, dass sie ihre Wagen aus der Garage fahren dürfen. Drei Mal in der Woche müssen die Patienten zur Dialyse. Die restliche Zeit heißt es: Warten.

Seit der Gesundheitsreform von Ministerin Ulla Schmidt (SPD)zum 1. Januar bezahlen die Krankenkassen Taxi-Fahrten zur ambulanten Behandlung nur noch in bestimmten Fällen. Dazu gehören Fahrten zur Dialyse, zur Chemotherapie oder zur Strahlentherapie. Wer mit dem Taxi fahren muss, benötigt einen Transportschein mit dem Hinweis „zwingend medizinisch notwendig“ und die vorherige schriftliche Genehmigung durch die Krankenkasse. In manchen Fällen übernimmt die Krankenkasse auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung. Die Lücken in der Taxi-Kundschaft sind nun groß.

„Die Leute können plötzlich alle wieder laufen“, sagt Peter Dieckerhoff. Seit 30 Jahren sitzt er im Taxi, 20 Jahre davon fährt er kranke Menschen in Dortmund zum Arzt, ins Krankenhaus oder zur Kur. Dieckerhoff regt sich vor allem über die schlechte Aufklärung der Patienten auf. Die meisten Fahrgäste seien beunruhigt und wüssten nicht Bescheid, ob sie ihre Krankenfahrt selbst bezahlen müssen und oder nicht. Viele Rollstuhlfahrer wüssten nicht, ob sie als behindert oder chronisch krank einzustufen sind.

Anfang Januar haben viele verunsicherte Menschen bei den Taxi-Unternehmen angerufen. „Wir mussten aufklären und beruhigen“, sagt Dieckerhoff. Mit 18 Taxis, 12 festangestellten Fahrern und 12 Aushilfsfahrern hat sich das Unternehmen Mörth-Truchly auf Krankenfahrten spezialisiert. Seit 1914 gibt es Taxi-Mörth in Dortmund. Eine Menge Höhen und Tiefen hat das Unternehmen erlebt – doch seit Januar scheint es so, als könne es gar nicht tiefer gehen.

Von 18 bis 20 Prozent weniger Taxi-Fahrten in Nordrhein-Westfalen spricht Karl Rosewick, Vorsitzender des Taxi-Verbands NRW. Seine Zahlen sind das Ergebnis von Befragungen der Taxi-Unternehmen. Im Taxi-Verband sind 18 größere Taxi-Firmen aus Städten wie Düsseldorf, Essen oder Dortmund vertreten -Taxi-Mörth gehört nicht dazu.

Peter Dieckerhoff ist skeptisch: „In der Taxi-Branche gibt es nur Einzelkämpfer. Das ist ein einziges Hauen und Stechen.“ Umso mehr, seitdem immer weniger Menschen mit dem Taxi fahren. Das liege daran, dass alle weniger Geld in der Tasche haben, sagt Dieckerhoff. Besonders schlimm sei es für diejenigen, die auf ein Taxi angewiesen sind. „Wir haben viele ausländische Kunden, die nicht gut Deutsch sprechen. Die verstehen dann nicht, warum die Fahrt zum Arzt oder ins Krankenhaus plötzlich so viel Geld kostet.“ Dieckerhoff und seine Kollegen versuchen, ihren Kunden die Ängste zu nehmen: „Das ist teilweise wie Seelsorge im Taxi.“

Dieckerhoff findet, die alten und kranken Menschen sollten bei den Krankenversicherungen anrufen und nachhaken, warum bestimmte Fahrten nicht bezahlt werden. „Das geht doch nicht, dass die Menschen aus Angst vor hohen Kosten einfach auf ihre Therapie verzichten oder Arztbesuche hinauszögern.“