christoph schultheis
: Lukrative Brunftschreie

Dschungel, Ekel, Peinlichkeiten? Aber nein, der „Comeback“-Show(20.15 Uhr, Pro7) und ihresgleichengeht es um etwas ganz anderes

„Musik ist unser Leeeben / sie wird es immer geeeben / solang der Globus sich noch dreht / solange unsere Welt besteeeeeht!“, schallte es Mitte der 70er-Jahre fanfarenhaft ins Fernsehzimmer. „Musik ist Trumpf“ hieß die dazugehörige ZDF-Show, anschließend sangen Adamo und Anneliese Rothenberger. Und ungefähr zur selben Zeit sang außerdem John Miles. „Music was my first love“, sang er, „and it will be my last.“ Aber gesagt war auch damit nichts.

Schließlich hatten sich vorher schon ganze andere mit dem Thema beschäftigt, hatten Darwin, Rousseau und Schopenhauer, Karl Bücher und Curt Sachs den Ursprung der Musik aus Verständigungsrufen, Brunftschreien, leidenschaftlichem Sprechen oder kollektiven Arbeitsrhythmen hergeleitet – und letztlich doch bloß die Erkenntnis hinterlassen, dass, nachdem sie einmal da war, diese Musik, keiner mehr drauf verzichten will. Unheimlich ist das. Und ein Milliardengeschäft.

Mit dem Fernsehen ist es übrigens ähnlich: Auch so ein unheimlich lukratives Medium, dieses Fernsehen. Und das Musikfernsehen erst? Obwohl das auch nicht mehr das ist, was es einmal war, seit Viva herausgefunden hat, dass man sich Sendezeit gegebenenfalls auch von der Agrarwirtschaft bezahlen lassen kann und MTV zwischen den ganzen „Jackass“-, „Urban Myths“- und „Dissmissed“-Formaten kaum noch Platz hat für ein paar ordinäre Musikclips, was nicht zuletzt die Plattenindustrie betrüben dürfte (auch wenn der MTV- und Viva-Anteil am Gesamtfernsehmarkt kaum 2 Prozent beträgt). Denn andersherum haben auch die anderen Sender, die mit den guten Plätzen auf der Fernbedienung und vielen, vielen Zuschauermillionen, traditionell recht wenig übrig für Musik. (Genauer gesagt, brachten’s ARD und ZDF mit ihren Schunkelshows in den vergangenen Jahren auf gerade mal gut 5, RTL und Co. auf nicht mal 2 Prozent Musikanteil.)

Doch so, wie es der Christenlobby seit Jahren gelingt, irgendwelche „Mein Gott, Herr Pfarrer!“-Produkte (zuletzt „Der Heiland auf dem Eiland“, RTL) zu lancieren, so scheinen nun auch die Tonträgerkonzerne allmählich das Mainstreamfernsehen zu entdecken. Aber ja: Der deutsche Eurovisions Grand Prix ist spätestens seit diesem Jahr in erster Linie musikindustrielles Teleshopping, „Deutschland sucht den Superstar“ ist nie was anderes gewesen, und neben Charthit-Verkaufsshows wie den guten alten „Top of the Pops“ hat RTL längst eine Ramschecke für „Ultimative Chartshows“ und dergleichen eingerichtet. Vor allem aber auf Pro7 ist Musik seit Neustem Trumpf – egal, ob in der „McChart Show“, in Stefan Raabs „SSDSGPS“ oder der neuen Montagabendunterhaltungssendung „Comeback – Die große Chance“, in deren Werbepausen dann schon die nächste neue Musikshow („Die 100 nervigsten Lieder aller Zeiten“ oder so) angekündigt wird. Und wem das jetzt partout nicht wie ein Trend vorkommt, dem sei gesagt: Die Volksmusik künftiger Rentnergenerationen heißt Pop.