amerika im krieg (18)
: Ein Tagebuch unseres USA-Korrespondenten Michael Streck

Peaceniks in der Georgetown University

Als die ersten Bomben auf den Irak fielen, haben sie ihre Zelte aufgeschlagen. Auch nachdem die Statue von Saddam Hussein in Bagdad vom Sockel fiel, halten sie die Stellung. „Wir bleiben jetzt bis zum Ende des Semesters, vielleicht bis zum Sommer“, verkündet Hollie scherzhaft und fügt hinzu: „Nein, ernsthaft, keine Ahnung, wie lange wir es noch aushalten. Das entscheiden wir von Tag zu Tag.“ Die 21-jährige Studentin sitzt vor ihrem grünen Zelt und malt ein Antikriegsplakat.

Für drei Tage sollte das kleine Friedenscamp ursprünglich nur errichtet werden. Doch es machte Spaß, und so entschieden die rund 40 Studenten, die das Projekt initiiert hatten, eine Woche zu verlängern. Die sieben Tage waren vorbei, und wieder wollte keiner aufhören. So stehen die fünf Zelte auf dem Platz vor dem Hauptgebäude der Georgetown University einen Steinwurf vom Weißen Haus immer noch. Eine große blaue Plane wurde zwischen Bäumen aufgespannt, darunter stehen Bänke und Tische übersät mit Plakaten, Stiften und Pappbechern. Wasserkanister stapeln sich, Schuhpaare liegen verstreut, Schlafsäcke werden gelüftet.

Patrica ist unbeeindruckt von den letzten Meldungen aus dem Irak und jubelnden Menschen. „Ich glaube nicht, dass der Krieg schon zu Ende ist.“ Was hat sie zu dieser Aktion bewegt? „Viele Studenten leben so weiter, als ob überhaupt nichts passiert ist“, sagt die Jurastudentin. „Natürlich haben wir keinen Einfluss auf die Regierungspolitik und konnten den Krieg nicht verhindern. Doch wir können die Leute zumindest daran erinnern, das die Welt sich verändert hat.“ Die meisten Mitstreiter seien in Umwelt- oder Friedensgruppen an der Universität aktiv. Als der Krieg begann, seien viele sehr frustriert gewesen. „Wir mussten einfach irgendetwas tun.“

Das Camp ist immer mit einer Hand voll Studenten besetzt. Gewechselt wird im Rotationsverfahren. Trotz großer Regenbogenfahne und Musik von den „Smashing Pumpkins“ nehmen viele Studenten tagsüber kaum Notiz von dem eigenwilligen Protest. Doch nachts erwacht das Leben. Manchmal kämen Leute mit Instrumenten vorbei, sagt Pete. Auf dem Heimweg aus Bars und Restaurants würden viele Halt machen. „Dann gibt es die angeregtesten Diskussionen.“ Es ist warm geworden in Washington, auch die Nächte sind mild. „Da ist es hier draußen wunderbar, viel besser als in meinem Internatszimmer.“

Pete hat den Krieg immer abgelehnt, da er glaubt, dass dem irakischen Volk Demokratie nicht mit Gewalt aufgezwungen werden kann. Und er ärgert sich über die US-Medien, die nur eine Seite der „Bagdad-Story“ zeigen würden. „Bloß keine Bilder von überfüllten Hospitälern mit Toten und Verletzten.“

Niemand denkt an rasches Abbrechen, doch Ermüdungserscheinungen machen sich breit. „Irgendwie nutzt sich die Aktion auch ab“, sagt Joe. Doch der Grund, warum er hier sei, habe sich nicht verändert. „Ich bin weiter gegen den US-Imperialismus im Irak. Wenn wir aufhören, müssen wir unseren Unmut anders ausdrücken.“