Tod im Abstellraum

Ein offener Brief macht auf die Situation von Sterbenden in Kliniken aufmerksam. Palliativmediziner: Patienten früher aufklären

Bremen taz ■ „Die Umstände, wie meine Schwester von ihrem geliebten Lebenspartner Abschied nehmen musste, die Peinlichkeit, die es für ihr Personal bedeutete, uns in den Raum zu leiten, in dem Herr B. ‚aufgebahrt‘ lag, empört und verärgert mich noch immer.“ Ein Zitat aus dem Brief einer Angehörigen, deren Schwager im Januar dieses Jahres an Lungenkrebs und einem dadurch verursachten Blutsturz im Klinikum Bremen-Ost verstarb. Er lag dazu „in einer vier bis fünf Quadratmeter großen, fensterlosen Abstellkammer für medizinischen Bedarf“, so der Brief weiter. Ein „einfühlsamer Pfleger“ hatte eine Kerze neben den Toten gestellt.

Auch wenn es sich, wie die Pflegedienstleitung in Bremen-Ost versichert, um „einen absoluten Einzelfall“ gehandelt habe, ist die Situation für Sterbende in Krankenhäusern prekär. „Die Zielsetzung, wenn jemand eingeliefert wird, ist eben eine ganz andere“, fasst Hans-Joachim Willenbrink, Leiter der Palliativstation im Klinikum Süd (früher ‚Links der Weser‘) das Problem zusammen. Eine Mixtur aus vermiedenen Gesprächen über den nahenden Tod, aus Personalmangel und Raumnot kann dann im schlimmsten Fall in die Abstellkammer führen. In Bremen Ost, wo jetzt aufgrund des Briefes ein Gespräch zwischen Angehörigen und Verantwortlichen stattgefunden hat, gibt es nun ein Abschiedszimmer, das auch kurzfristig belegt werden kann. Auch die übrigen Stationen, so Matthias Wieneke, Pflegedienstleiter der Lungenklinik in Bremen-Ost, seien aufgefordert sich für diesen Fall zu rüsten. Zwar sei es fast immer möglich, den Strebenden alleine zu legen. Ausgerechnet bei B. aber sei die Station überbelegt gewesen. Er habe zudem auf dem einzigen Vier-Bett-Zimmer gelegen.

Für den Palliativmediziner Willenbrink geht das Problem in der Regel über ein schlechtes Bettenmanagement hinaus. „Wenn die Heilungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, findet das Gespräch mit Patienten oder Angehörigen oft viel zu spät statt“, so Willenbrink. Todkranke müssten rechtzeitig auf die andere Richtung eingestimmt werden, in die ihre Behandlung nun geht: Schmerzen lindern und so viel Lebensqualität erhalten wie möglich. Dabei sei es oft nicht sinnvoll, die Sterbenden zu verlegen. „Dort, wo der Kranke liegt, gibt es Bezüge zwischen Patient und Personal – die sollen möglichst bestehen bleiben.“

So gibt es im Klinikum Mitte drei ‚Familienzimmer‘, in denen Kranke von ihren Angehörigen Abschied nehmen und sterben können – sie sind aber, so die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Helga Loest, spendenfinanziert. Die Leiter verschiedener kleinerer Krankenhäuser in der Bundesrepublik schlagen solche ‚Patientenzimmer‘ für jede Station vor. Eine Idee, mit der auch Willenbrink sympathisiert, aber: „Mit dem Hinschieben in ein extra Zimmer ist es nicht getan, es braucht auch aufwändige Pflege und professionelle Zuwendung“. Er verweist auf eine Fortbildung für Pflegepersonal namens „palliative care“, die im Klinikum Mitte durchgeführt wird. In 160 Stunden lernen Schwestern und Pfleger unter anderem, wie man mit Sterbenden und ihren Angehörigen umgeht. „Mir fällt ein an Krebs Erkrankter ein, der auf unserer Station lag und dessen Frau nicht mehr gegessen hat. Am Ende brauchte sie die intensivere Betreuung“, erinnert sich Willenbrink.

Für ihn taucht am Horizont der Krankenhauslandschaft allerdings noch ein ganz anderes Problem auf. Durch die Umstellung der Krankenhausfinanzierung auf ‚Kopfpauschalen‘, mit denen die Verweildauer der Patienten im Krankenhaus auf den akuten Zeitraum beschränkt werden soll, kann es zu Entlassungen extrem Pflegebedürftiger kommen. „Wir brauchen für diese Menschen unbedingt ambulante Dienste, die auch einem Sterbenden gewachsen sind“, so der Mediziner. hey