Stöckelschuhfrei

Aussicht genießen, Kaffee trinken, über den Tod sprechen – seit gestern kann der Wasserturm auf dem Ohlsdorfer Friedhof besichtigt werden

von ANNE HANSEN

Von oben sieht man nur Bäume. „Das ist eben der grüne Reichtum des Friedhofs“, erklärt Sabine Blum, Pressesprecherin der Hamburger Friedhöfe GmbH, euphemistisch. Direkter wird dagegen ihr Geschäftsführer Wolfgang Pages: „Na, der Blick ist aber nicht so doll.“

Gemeint ist der Ausblick vom historischen Wasserturm auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Seit gestern kann der nämlich besichtigt werden. Zumindest wenn man „schwindel- und stöckelschuhfrei ist“, wie Blum warnt. Ab sofort können BesucherInnen, die diese Kriterien erfüllen, den 34 Meter hohen Turm besteigen. Jeden Sonntag zwischen 14 und 17 Uhr. Bisher durfte lediglich das Friedhofspersonal auf den Turm.

Dass jetzt auch schwindel- und stöckelschuhfreie Menschen als BesucherInnen akzeptiert werden, ist dem Verein „Garten der Frauen e.V.“ zu verdanken. Die Mitglieder haben sich dafür eingesetzt, dass der Turm geöffnet wird, haben das Bauwerk schließlich gereinigt und werden jeden Sonntag vor Ort sein und die „Info-Tafel der besonderen Art“ anbieten.

Was dahinter steckt: Vor dem Turm wird es einen großen Tisch geben, an dem Informationsmaterial ausliegt, Kaffee getrunken wird und einfach geredet wird. „Wir wollen über den Turm auf unseren Verein aufmerksam machen“, erklärt Urte Meister vom Verein „Garten der Frauen“.

Der Turm als Mittel zum Zweck? „Es ist doch wirklich ein attraktives Gebäude“, sagt die 62-Jährige fast entschuldigend. „Aber uns ist in erster Linie wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“ Ins Gespräch kommen deshalb, weil Menschen, so Meister, den Tod meist verdrängen, weil das Thema tabuisiert werde und man einfach Angst habe.

Urte Meister, die in der Nähe des Ohlsdorfer Friedhofes aufgewachsen ist, geht anders mit dem Thema um: „Das war total klar, dass wir auf dem Friedhof gespielt haben oder Picknick gemacht haben.“ Für Meister gehört der Tod zum Leben dazu. Man müsse einfach damit leben können, sagt sie. Trotzdem versteht sie auch die andere Sichtweise: „Natürlich hat man Angst vor dem Tod, aber man muss darüber reden. Mit anderen.“

Am kommenden Sonntag gibt es zum ersten Mal die „Info-Tafel der besondern Art“. Der Tisch, an dem man reden kann.