„Das ist eine Momentaufnahme“

Reform gescheitert? Kein Stück, sagt Sozialstaatsrat Arnold Knigge (SPD). Er protestiert gegen das zeitliche Korsett des Personaleinsparungsplans. Statt bis 2005 solle man dem Amt für Soziale Dienste drei Jahre mehr Zeit geben

taz ■ Die Zeichen standen auf Sturm, als in der vergangenen Woche die MitarbeiterInnen des Amts für Soziale Dienste zur Personalversammlung zusammenkamen. Bilanz über die vor einem Jahr gestarteten Sozialzentren wollte man ziehen – in den Worten der Beschäftigten geriet sie desaströs. Sie fühlen sich überfordert, Arbeitsabläufe seien komplizierter statt einfacher geworden, der Stellenstopp tue ein Übriges. Dabei ist die Reform längst nicht abgeschlossen und der Personaleinsparungsplan (PEP), der für das Amt für Soziale Dienste einen Abbau von 100 Stellen vorschreibt, längst nicht erfüllt. Arnold Knigge, Staatsrat im Sozialressort, nimmt im taz-Interview dazu Stellung.

taz: Ist die Reform des Amts für Soziale Dienste gescheitert?Arnold Knigge: Davon kann keine Rede sein. Ich halte die Ziele unserer Neustrukturierung, die Bürgerorientierung, die einheitlichen Standards, das Fallmanagement für richtig. Aber es ist auch richtig, dass die Sozialzentren nach wie vor eine Baustelle sind – wenngleich eine sehr aktive Baustelle, die hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie erste bemerkenswerte Erfolge vorzuweisen hat.

Das hilft aber nicht darüber hinweg, dass sich viele, wenn nicht die Mehrheit der Mitarbeiter, überfordert fühlen.Sie erleben die ständige Veränderung und reagieren auch mit Ablehnung darauf, das kann ich verstehen; auch dass der Personalrat sich parteiisch verhält, das muss er ja. Aber wir müssen die Aufgabenfülle in Einklang bringen mit der Personalausstattung. Daran kommen wir nicht vorbei – schließlich haben auch wir die Sanierungsbedingungen zu berücksichtigen.

Aber genau das scheint doch das Problem: Weniger Leute müssen mehr leisten, und das in neuen Strukturen.Darin steckt ein Widerspruch – genau. Den haben wir in der Deputation ganz klar so benannt. Wir halten diesen Widerspruch für „zur Zeit nicht auflösbar“. Aber wir müssen noch verschiedene Prüfaufträge abarbeiten, bevor wir unsere Vorschläge zur Entscheidung vorlegen können.

Was heißt das?Wir müssen alle Bereiche durchgehen und die Veränderungen aufgrund des Personalentwicklungsplans fachpolitisch bewerten. Ein Beispiel: Wir sagen, wir wollen an den Spielhäusern festhalten. Wir haben geprüft, ob sie sich vielleicht privat finanzieren lassen. Da stellen wir fest: Bereitschaft gäbe es schon, aber die ist nicht so konkret, dass es reicht. Deshalb sagen wir: Wir brauchen dieses niedrigschwellige Angebot weiter im Amt, es muss erhalten bleiben. Andere Beispiele sind der Sozialdienst Erwachsene, bei dem wir uns fragen, wieviele Mitarbeiter wir brauchen, oder die Erziehungsberatung, bei der wir eine Fusion mit dem schulpsychologischen Dienst erwägen. So müssen wir für jeden Bereich festlegen, welche Aufgaben gewollt und welches Personal dafür notwendig ist.

Aber wenn Sie Personal nicht in dem einen Bereich abbauen, weil Sie es da für unverzichtbar halten, werden Sie es in einem anderen Bereich tun müssen.Ich trete dafür ein, dass wir das Ziel neu definieren. Statt bis 2005 die PEP-Quote zu erfüllen, sollten wir den Rahmen bis 2007 oder 2008 strecken.

Vielleicht tut‘s dann weniger weh, aber der Effekt – 100 Stellen weniger – bleibt doch derselbe.Wir sind nunmal ein Sanierungsland, ich sagte das bereits. Wir können das nicht ignorieren. Aber es wird einschneidende Veränderungen im Amt für Soziale Dienste geben, auch über unsere Amtsreform hinaus: Ein Großteil der Sachbearbeitung soll und wird künftig auch in den Job-Centern stattfinden.

Man hört immer wieder, die Reform sei gut angelegt, fatal aber sei der Einfluss der Unternehmensberater von Roland Berger gewesen: Die hätten zu sehr aufs Tempo gedrückt.Das stimmt insofern, als dass der Reformprozess ursprünglich länger angelegt war. Roland Berger hat argumentiert, dass ein so gewaltiger Prozess nicht per Knopfdruck funktioniere, sondern sich entwickeln können müsse, dass dabei möglichst viele Mitarbeiter mitgenommen werden müssten. Dazu stehe ich auch. Es hätte nichts genutzt, das Ganze noch länger zu planen, wir wären von den aktuellen Entwicklungen überrollt worden.

Der Personalrat hat die Ergebnisse einer Umfrage präsentiert. Sie sind verheerend. Die meisten Befragten meinen, ihre Arbeitssituation sei allenfalls unverändert, oft aber schlechter geworden.Das ist eine Momentaufnahme, die die Stimmungslage beschreibt. Ich setze dem entgegen, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen ist.

Zur Umstrukturierung gehört auch Budgetierung: Jedes Sozialzentrum verpflichtet sich per Kontrakt, ein bestimmtes Ausgabenbudget einzuhalten. Aber über die Umstände, die auch stimmen müssen, damit die Budgets eingehalten werden, können doch die Mitarbeiter nicht selbst bestimmen.Das Steuern mit Zielvorgaben im Rahmen von Kontrakten und vereinbarten Budgets ist schlichtweg ein Instrument auf der Höhe der Zeit. Wenn wir die Vorgaben nicht erreichen, setzen wir uns damit auseinander. Es gibt keine starren Begrenzungen Sonst hätten wir unseren Haushalt im vergangenen Jahr nicht überzogen.

Vor allem von Seiten der CDU wird immer wieder auf den angeblich so hohen Anteil an Missbrauch von Sozialhilfeleistungen in Bremen hingewiesen. Hat sie Recht?Wir gleichen regelmäßig die Daten der Sozialhilfeempfänger mit denen der Renten- und Sozialversicherungspflichtigen ab – die Missbrauchsquote, sprich die Zahl derer, die in beiden Registern auftauchen, liegt seit Jahren unter einem Prozent. Von Sozialhilfemissbrauch kann also nicht ernsthaft die Rede sein.

Fragen: Susanne Gieffers