Das Rätsel um Nummer Acht

Zehnmal soll ein Kellner auf dem Weg vom Kunden zum Kartenlesegerät Kreditkarten kopiert und später gefälscht haben. Vor Gericht stellte sich heraus: Viele hätten dazu die Möglichkeit gehabt

taz ■ Der Fall bleibt unklar, die Botschaft nicht: „Ich kann jedem nur raten, seine Kreditkarte nicht aus der Hand zu geben“, erklärte gestern Amtsrichter Peter Mertens nach einer drei Stunden dauernden Verhandlung ohne Ergebnis. Klar war nur: Es dauert nicht länger als zwei Sekunden, den Magnetstreifen einer Kreditkarte zu kopieren. Und es dauert bis zu vier Minuten, bis ein Kartenlesegerät den Bon ausspuckt, den der Kunde dann nur noch unterschreiben muss – viel Zeit, eine Karte zu kopieren.

Dessen war gestern vor dem Schwurgericht ein Kellner des Flughafenrestaurants angeklagt. In zehn Fällen soll der 37-Jährige die Karten von Gästen des Restaurants kopiert haben. Später wurde mit den gefälschten Karten 75.000 Mark ausgegeben. All das spielte in zwei Oktoberwochen des Jahres 2000 sowie einer Woche im Januar 2001. „Mein Mandant bestreitet die ihm gemachten Vorwürfe“, sagte dazu gestern Verteidigerin Barbara Kopp, die Anklage habe ihn „aus heiterem Himmel getroffen.“

Der Hinweis auf das Bremer Flughafenrestaurant war aus Hamburg gekommen. Hier läuft ein umfangreiches Verfahren wegen Kreditkartenbetrugs. Die Abrechnungsfirma hatte die Daten der Betrogenen ausgewertet und festgestellt, dass zehn von ihnen Gäste im Bremer Flughafenrestaurant waren – bei „Kellner Nummer Acht“. Kellner Nummer Acht aber war der Angeklagte. Und ist es noch, er arbeitet noch dort, seit inzwischen acht Jahren. Doch ob tatsächlich er es war, der die Karten auf dem Weg vom Tisch der Gäste zum Kartenlesegerät in einen kleinen Apparat, nicht größer als eine Zigarettenschachtel, gesteckt, kopiert und später daraus gefälschte Karten hergestellt hatte – diese Frage blieb gestern ungeklärt.

Denn jeder der fünf Kellner, jeder vom Kassenpersonal, jeder der Chefs hätte sich als Nummer Acht am Kreditkartenlesegerät einloggen können. Anders als bei der Kasse brauche das Personal hierzu keinen Schlüssel, erklärte der damalige Leiter des Restaurants. Nein, man habe nicht erwogen, Nummer Acht zu kündigen. „Wenn das weitergegangen wäre, dann hätten wir was unternommen.“ Nein, Folgen habe der Vorfall für seinen Laden nicht gehabt. „Bei uns ist ja kein Schaden entstanden, deshalb haben wir die Sache nicht weiter verfolgt.“

Eine Wohnungsdurchsuchung bei dem Verdächtigen blieb ohne Ergebnis, und von den zehn Betrugsopfern wollen sich drei an den Kellner vom Bremer Flughafen erinnern – über die dazu verwendete „Wahllichtbildvorlage“ allerdings war Verteidigerin Kopp „einigermaßen entsetzt“. Von den neun Köpfen auf dem Bogen, der den Zeugen vorgelegt wurde und aus denen sie einen aussuchen sollten, sähen acht wie Verbrecher und nur einer wie ein Kellner aus. Wer also gebeten werde, einen Kellner vom Bremer Flughafen zu identifizieren, werde auf so einem Bogen wohl den richtigen treffen – eine Umfrage unter ihren Mitarbeitern habe sieben von zehn Treffern ergeben, so Kopp.

Nun müssen die ehemaligen Flughafengäste her, nun müssen die Dienstpläne daraufhin geprüft werden, wer noch außer dem Angeklagten an allen Tattagen im Dienst war. Richter Mertens setzte gestern das Verfahren aus – ein neuer Termin wird erst in einigen Monaten stattfinden, vorher ist der Richter ausgebucht. Was bleibt: das Rätsel um Nummer Acht und die Erkenntnis, eine Kreditkarte immer im Auge, besser noch in der Hand zu behalten. Susanne Gieffers