Suche nach kleinem Pelé

Die Universität Siegen vergibt als erste deutsche Hochschule in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Regionalligisten und der Unesco drei Stipendien für begabte Fußballer aus Brasilien

aus Siegen THORSTEN SCHABELON

„Ob uns die Brasilianer nicht beibringen können, wie man Fußball spielt“, fragte sich der Siegener Unternehmer Manfred Utsch unter dem Eindruck der 0:2-Finalniederlage der deutschen Mannschaft am 30. Juni 2002 in Yokohama. „Dann haben auch wir die entsprechende Technik und gewinnen die WM 2006.“

Aus diesem nicht ganz ernst gemeinten Gedanken hat sich ein Projekt entwickelt, als dessen erstes Ergebnis in der nächsten Woche drei Brasilianer in Siegen erwartet werden. Dort sollen sie studieren – und Fußball spielen. Partner des in Deutschland bisher einmaligen Projekts sind die Universität der südwestfälischen Stadt, die Unesco und die Erich Utsch AG respektive der Unternehmer Manfred Utsch, der Ehrenpräsident und Mäzen des Süd-Regionalligisten Sportfreunde Siegen ist.

Angelehnt an den US-amerikanischen College-Sport, in dem Athleten ihre sportlichen Fähigkeiten in den Dienst der Hochschule stellen und dafür kostenlos studieren dürfen, hatte die Universität Siegen Ende 2002 in Brasilien drei Stipendien ausgeschrieben. Die möglichen Kandidaten mussten ganz im Sinne von Juvenals „mens sana in corpore sano“ ausgezeichnete Leistungen im Hörsaal und auf dem Rasen nachweisen. Die Unesco machte das Projekt in ganz Brasilien bekannt – und die Resonanz war überwältigend. „Das lief durch alle Medien im Land und der ganze Auswahlprozess wurde verfolgt“, sagt Pamela Preusche, Referentin für Kultur und Bildung an der deutschen Botschaft in Brasilia.

Etwa tausend Bewerbungen gingen ein. Nach einer Vorauswahl, die die Unesco gemeinsam mit dem Fußball-Weltmeister von 1994 und heutigen Unesco-Botschafter Rai organisiert hatte, durften hundert Hochschul-Kicker einer kleinen Delegation der Sportfreunde Siegen ihr Talent am Ball zeigen. Gemeinsam mit dem renommierten Professor Bebeto, Trainer der brasilianischen Studenten-Nationalmannschaft, bei dem schon Stars wie Falcao, Careca und sein Sohn Bebeto gespielt hatten, wählten Siegens Sportlicher Leiter Rolf Bleck und A-Jugend-Trainer Günther Thielmann das aus São Paulo stammende Trio Fernando Lima-Francisco (23), Leonardo Silveira Carvalho (23) und Renato Tofolo (21) aus. „Das waren mit Abstand die drei Besten“, sagt Günther Thielmann, der die Fähigkeiten der Studenten-Nationalspieler aber auch erst endgültig einschätzen kann, „wenn sie hier in Siegen mittrainieren“.

Überhaupt ist die anfängliche Euphorie in der Stadt, für die laut Lokalzeitung der „kleine Pelé“ gesucht wurde und in die „halb Rio wollte“, ein wenig abgeflaut. „Sie sind in erster Linie hier, um zu studieren“, betont Rolf Bleck von den Sportfreunden. „Aufpassen, dass nicht billige Fußballer nach Siegen kommen“, will Jochen Eickbusch, Leiter des Akademischen Auslandsamtes der Hochschule, mit der Überprüfung der Uni-Leistungen.

Nach ihrer Ankunft werden die drei Brasilianer intensiv Deutsch lernen und daneben Trainingseinheiten absolvieren. „Natürlich wäre es schön, wenn sie uns helfen können. Wir hoffen, dass sie Stammspieler werden, das Zeug haben sie“, glaubt Rolf Bleck.

Die finanziell, wie viele andere Regionalligisten, nicht gerade auf Rosen gebetteten Sportfreunde Siegen können bei dem Projekt nichts verlieren. Die 2.000 Euro, die die drei Stipendien monatlich insgesamt kosten, stammen vom Unternehmen des Ehrenpräsidenten, und für die Aufenthaltsgenehmigung sorgen Studentenvisa. Durch die erhoffte Teilnahme am Spielbetrieb der Regionalliga Süd in der kommenden Saison werden zwar Ausrüstung und Punkte-Prämien fällig, aber über die Spielberechtigung erhalten die Sportfreunde die Transferrechte. Und bei einem möglichen Transfer nach oben könnten die deutschen Nationalspieler von ihren studierten brasilianischen Kollegen vielleicht doch noch etwas für die WM 2006 lernen.