Frankreich prüft Friedenstruppe für Haiti

Außenminister Villepin warnt vor Teilung der Karibikinsel und sagt, Frankreich verfüge über „Kompetenzen für einehumanitäre Intervention“. Haitis Präsident Aristide bittet Nachbarländer um Polizeihilfe, während der Aufstand sich ausweitet

PARIS/PORT-AU-PRINCE afp ■ Angesichts der sich zuspitzenden Krise in Haiti werden Rufe nach einem Einsatz internationaler Sicherheitskräfte auf der Karibikinsel laut. Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin brachte gestern die Entsendung einer Friedenstruppe ins Gespräch. Haitis Präsident Jean Bertrand Aristide forderte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auf, Polizeitruppen bereitzustellen.

„Wir wollen darüber nachdenken, was in der Notsituation getan werden kann – kann man eine Friedenstruppe entsenden?“, sagte De Villepin im Rundfunksender France Inter. „Wir sind mit unseren Partnern bei den Vereinten Nationen im Kontakt, um festzustellen, was möglich ist“, fügte er hinzu. Er wies darauf hin, dass Frankreich, das Überseegebiete in der Karibik und in Südamerika besitzt, über „Kompetenzen für eine humanitäre Intervention“ verfüge. Auch andere Länder seien zum Eingreifen bereit. Dafür müssten zunächst die Konfliktparteien konsultiert werden.

De Villepin warnte vor der Gefahr einer Teilung Haitis. In Paris werde ein Krisenstab eingerichtet, der sich mit den Unruhen befassen solle. Frankreich war einst Kolonialmacht in Haiti.

Aristide sagte zu seiner Bitte um die Entsendung von Polizeitruppen, „mehrere Ministerpräsidenten der Region“ hätten ihm Unterstützung zugesichert. Er betonte, die gegenwärtige Krise in seinem Land lasse sich nicht „auf der Straße“, sondern nur auf dem Verhandlungsweg lösen. Die politische Opposition forderte er auf, sich von den bewaffneten Rebellen zu distanzieren. Er bot ihr an, bis zu Neuwahlen einen Teil der Regierungsverantwortung zu übernehmen. Gegenüber der New York Times bekräftigte er jedoch, bis zum Ende seines Mandats 2006 im Amt bleiben zu wollen.

Die Regierung der benachbarten Dominikanischen Republik forderte die Weltgemeinschaft zum sofortigen Handeln auf. Die Krise könne ansonsten für die gesamte Region „schädliche“ Folgen haben, erklärte Außenminister Francisco Guerrero Prats in der Hauptstadt Santo Domingo. Nach dem Tod zweier Soldaten am Wochenende hatte seine Regierung am Montag die Grenze zu Haiti geschlossen.

Unterdessen weitete sich der bewaffnete Aufstand aus. Nach Angaben des Staatssekretärs für Kommunikation, Mario Dupuy, brachten bewaffnete Rebellen am Montag die 87.000 Einwohner zählende Stadt Hinche nahe der Grenze zur Dominikanischen Republik unter ihre Kontrolle. Rund 40 Mitglieder der 1994 aufgelösten Armee hätten die Polizeiwache von Hinche gestürmt und drei Menschen getötet, darunter den Polizeichef.

Der ehemalige Milizenchef von Exdiktator Raoul Cedras, Louis-Jodel Chamblain, soll den Angriff persönlich geleitet haben. Der berüchtigte Milizionär war erst am Wochenende aus dem Exil in der Dominikanischen Republik zurückgekehrt und hatte sich den Aufständischen angeschlossen. Aristide war 1994 nach einer US-Intervention gegen Cedras wieder als Präsident eingesetzt und das Militär aufgelöst worden. Seitdem ist die 5.000-köpfige Polizei die wichtigste Ordnungsmacht.