Ein Nein zum Hanau-Export ist doch möglich

Grüne streiten um Sonderparteitag. Exportverweigerung für Brennelementefabrik machbar

FREIBURG taz ■ An der grünen Basis gärt es. Immer mehr Kreisverbände fordern einen Sonderparteitag, sollte die Bundesregierung dem Export der Hanauer Siemens-Brennelementefabrik nach China zustimmen. Drei Landesverbände oder 48 Kreisverbände können einen Parteitag erzwingen. Bisher haben schon 6 Kreis-Gliederungen entsprechende Beschlüsse gefasst.

Wichtig für die Grünen: Außenminister Joschka Fischer hat es in der Hand, die Genehmigung zu verhindern. Offiziell hat Siemens zwar noch gar keinen Antrag gestellt. Doch beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) im hessischen Eschborn liegt seit letzten März eine Voranfrage zur Genehmigungsfähigkeit des Exports. Seitdem wartet das Bafa auf eine Weisung des Ausfuhrausschusses der Bundesregierung. Dort sind das Wirtschaftsministerium, der Bundesnachrichtendienst und auch das Auswärtige Amt vertreten. Und da in diesem Ausschuss brisante Fälle traditionell im Konsens geklärt werden, hat Außenminister Joschka Fischer (Grüne) de facto ein Vetorecht.

Rechtsgrundlage für die Hanau-Entscheidung ist die Dual-Use-Verordnung der EU aus dem Jahr 2000. Sie regelt den Export von Waren, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Konkret heißt es dort, dass bei der Entscheidung, ob eine Ausfuhrgenehmigung erteilt wird, unter anderem auch „Überlegungen der nationalen Außen- und Sicherheitspolitik“ sowie „Überlegungen über die beabsichtigte Endverwendung und die Gefahr einer Umlenkung“ zu berücksichtigen sind. Die Formulierung macht deutlich, dass es hier um eine Ermessensentscheidung der Regierung geht.

In zwei Vermerken des Justizministeriums (BMJ) heißt es zwar, „dass ein Recht auf Genehmigung besteht, wenn keine Versagungsgründe vorliegen“. Dieser Grundsatz entstammt jedoch dem deutschen Außenwirtschaftsgesetz, das hier gerade nicht anwendbar ist, da es vom europäischen Recht verdrängt wurde. Schon deshalb ist die BMJ-Schlussfolgerung falsch, wonach ein Versagen der Genehmigung „offensichtlich rechtswidrig“ wäre.

Gestützt wird diese Sichtweise durch einen Vortrag, den Olaf Simonsen, Bafa-Abteilungsleiter für Ausfuhrgenehmigungen, im letzten September in Münster hielt. Simonsen erläuterte, dass die Verwaltung im europäischen Recht weitere Ermessensspielräume habe als nach dem streng konstruierten deutschen Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Die Ermessensvorschrift sei ein „Kernstück“ der europäischen Dual-Use-Verordnung, so Simonsen laut Manuskript, das der taz vorliegt. „Der Unterschied zum AWG ist evident.“

Nach Ansicht von Simonsen, der auch für die Hanau-Entscheidung zuständig ist, macht dies auch Sinn, weil man bei der Ausfuhrkontrolle von Dual-Use-Gütern immer auf Prognosen angewiesen sei und eben nicht von feststehenden Sachverhalten ausgehen könne. Auch das für die Kontrolle der Eschborner Entscheidungen zuständige Verwaltungsgericht Frankfurt teilt laut Simonsen diese Sichtweise. In einer Entscheidung aus dem Mai letzten Jahres heißt es, die „Gefahrenprognose“ sei Aufgabe der Behörden und könne von einem Gericht nicht korrigiert werden.

Damit ist klar: Falls der Ausfuhrausschuss den Export der Hanauer Anlage nach China aus sicherheitspolitischen Gründen nicht genehmigt, wird Siemens beim Verwaltungsgericht Frankfurt kaum dagegen angehen können. Damit ist auch die BMJ-Warnung vom Tisch, wonach ein Gerichtsverfahren für die Bundesregierung „nicht zu gewinnen wäre“. Zu deutlich sind schließlich die sicherheitspolitischen Bedenken. So ist noch kein schlüssiges Konzept für eine zivile Nutzung der Anlage bekannt.

Die weitergehende Ansicht von Greenpeace, wonach eine Genehmigung des Exports von vornherein ausgeschlossen sei, lässt sich allerdings auch nicht halten. Zwar verbietet das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) jedes „Fördern“ bei der Herstellung von Atomwaffen. Im Falle Hanau ist aber gerade unklar, wozu die Anlage dienen soll. Es besteht also nur die Gefahr des Förderns – ein typisches Problem für die Dual-Use-Verordnung. Zu Recht weist deshalb das Justizministerium darauf hin, dass die EU-Verordnung hier „Vorrang“ vor dem KWKG habe.

Der deutsche Atomausstieg spielt rechtlich bei der Ausfuhrentscheidung für die Hanau-Anlage keine Rolle. Da sind sich Greenpeace-Anwalt Michael Günther und das Justizministerium ausnahmsweise einig.

CHRISTIAN RATH