Melancholie und Bierzelt

Country als Kontrastprogramm: Die schunkeltaugliche Braunschweiger Coverband „The Twang“ und der zynische Nashville-Nachwuchs Bobby Bare jr. spielen am Ostersonntag im Molotow

von MATTHIAS SEEBERG

Selbst für hartgesottene Verehrer postmoderner Cover-Exzesse dürfte Britney Spears mit Country Music so viel zu tun haben wie Einhand-Klatschen mit Leistungsport. Doch der Braunschweiger Kapelle The Twang ist im wilden Spiel mit Form und Inhalt jedes Mittel recht, und der Möglichkeit countryfizierter Adaptionen sind keine Grenzen gesetzt: Disco-Klassikern wie „Staying Alive“, Britpop-Hymnen wie Oasis‘ „Don‘t Look Back In Anger“ oder gar 80er Jahre-Schund wie Billy Idols „White Wedding“ verpassen die Party-Rocker durch genrespezifische Arrangements ein Gewand aus Western Swing und Hillbilly-Rock.

The Twang gelingt es sogar, wie es im Waschzettel ihres frisch veröffentlichten Albums Countryfication heißt, „Heavy-Metal-Kracher in fröhliche Schunkellieder“ zu verwandeln. Wer hier einen Hang zu oktoberfesttauglicher Bierzeltatmosphäre vermutet, liegt gar nicht so falsch, würde aber einen entscheidenden Aspekt übersehen: den schon im ursprünglichen Countrykontext unbestrittenen Humor derberer Gangart. In dessen Lichte betrachtet, bekommen die Mariachi-Variationen von „Creep“ (Radiohead) oder „Blitzkrieg Bop“ (Ramones) einen erfrischend ironischen Glanz und lassen einen sogar die unwiderruflich vermuckert klingenden AC/DC-und ZZ Top-Stücke ertragen – wenn auch mit Kopfschütteln und Achselzucken.

Nachdem sie schon mit etlichen Promis des amerikanischen Blues- und Rockbusiness die Bühne teilten, gastieren The Twang am Ostersonntag im Molotow zusammen mit Bobby Bare jr. Der Sohn einer Singer-Songwriter-Legende, dessen Duett mit seinem Vater ihm schon im zarten Alter von fünf Jahren eine Grammy-Nominierung einbrachte, wandelte mit seinem letzten Album Young Criminals‘ Starvation League (2002) wieder auf den melancholischen Pfaden der Familientradition. Hatte er sich auf seinen beiden Vorgängeralben an einer letztlich wenig erfreulichen Kombination aus Southern Rock und Grunge versucht, erinnerte sich Bare jr. zuletzt offenbar an die Lehrstunden seines Mentors Shel Silverstein und bat kurzerhand eine aus Lambchop-Mitgliedern und einer Bläsersektion bestehende Begleitband ins Studio.

Herausgekommen ist mehr als ein gutes Dutzend entspannter Songs, die vom als „Countrypolitan“ bekannten Nashville-Sound der frühen 70er Jahre nicht weniger geprägt sind, als vom psychedelischen Pop etwa der späten Beatles. Es sei die Erfahrung einer sich zunehmend zum „Jurassic Park“ entwickelnden Rockmusikszene gewesen, die ihn vom stadienfüllenden Rock‘n‘Roll-Bombast früherer Tage Abstand nehmen ließ, erklärte Bare jr. in einem Interview. Diese Enttäuschung schlug sich auch in seinen oft zynisch pointierten Texten nieder, wie in dem folkig geheulten Stück „Dig Down“, das in der Zeile „If Rock and Roll dies it‘s not my fault“ gipfelt.

Das Konzert am Sonntag wird demnach von einem Kontrast gekennzeichnet sein, aber einem, der hoffentlich eines klarstellen wird: dass zwischen Braunschweig und Nashville trotz allen globalisierten Crossovers immer noch Welten liegen – und dass das ruhig noch eine Weile so bleiben kann.

Sonntag, 21 Uhr, Molotow