Deutschland fährt gegen die Wand

Mautverträge gekündigt. Blamage für Wirtschaft und Politik. Einnahmeausfälle von 6,5 Milliarden Euro. Kanzler nimmt Stolpe in Schutz. Wirtschaftsminister Clement: „Unternehmerische Katastrophe“. Opposition spricht von „Lachnummer Deutschland“

BERLIN taz ■ Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) hat gestern den Mautvertrag mit Toll Collect gekündigt. Die beteiligten Konzerne DaimlerChrysler, Deutsche Telekom und Cofiroute machte Stolpe für den wirtschaftlichen Schaden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro verantwortlich. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nahm den umstrittenen Mautminister in Schutz. Stolpe habe das Mautdesaster nicht zu verantworten. Stattdessen geißelte Schröder das Pokern der Manager. „Das ist ein Umgang, den man nicht akzeptieren kann“, so Schröder. Toll Collect bedauerte das Scheitern der Verhandlungen. Im Verlauf der Gespräche hätten sich beide Seiten „deutlich aufeinander zubewegt“, sagte Telekom-Sprecher Stefan Broszio im Namen des Konsortiums in Bonn. Das Konsortium hat nun noch einmal zwei Monate Zeit, bis die Kündigung wirksam wird. Solange könnte Toll Collect neue Vorschläge auf den Tisch legen.

Stolpe rechnet mit zwei bis drei Jahren, bis ein ganz neues System installiert wird. Ersatzweise plant Stolpe möglichst noch bis November die Wiedereinführung der Euro-Vignette für Lastwagen. Die Ausfälle, die dem Bund entstehen, will Stolpe Toll Collect in Rechnung stellen.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement bezeichnete das Scheitern der Verhandlungen um die Lkw-Maut als „unternehmerische Katastrophe“. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer meinte, Deutschland mache sich zu einer „Lachnummer in Europa“. Die CSU sprach von einem „Megadebakel für den Standort Deutschland“. Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, sagte im Inforadio Berlin: Müsse die Industrie voll haften, „würde das ja den stärksten Neger von der Palme hauen“. Der grüne Verkehrsexperte Albert Schmidt verlangte in der taz eine höhere Kreditaufnahme des Bundes.

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