Kinopassionen und -köpfe

Mit Godards „Vivre sa vie“ beginnt morgen im Metropolis die Film- und Diskussionsreihe „Autorenfilm in der Krise“

Das Kino zur Universität machen und die Universität zum Kino – unter diesem Motto bringt seit vorletzter Woche Wim Wenders im Metropolis den Studenten der Hochschule für bildende Künste seine eigenen Filme sowie Klassiker der Filmgeschichte nahe. Da will auch der altgediente HfbK-Professor Gerd Roscher nicht nachstehen, scheint es, und zeigt die Filme seines zusammen mit Marieanne Bergmann konzipierten Seminars „Autorenfilm in der Krise“. Fünf beispielhafte Filme wird es bis Juni geben, jeweils mit einem stummen Griffith-Kurzfilm vorweg und einer Diskussion im Anschluss.

Welche Bedeutung der Autorenfilm für die Entwicklung des Films hatte und hat, möchte man herausbekommen, und dafür ist Godard ein perfekter Einstieg. Bildete dieser doch, bevor er mit eigenen Filmen das moderne Kino mitschuf, in den fünfziger Jahren zusammen mit Rivette, Rohmer und Truffaut die Pariser Viererbande, die in den Cahiers du cinema ihre „Politique des auteurs“ verfocht. Statt lediglich eine Geschichte zu bebildern, sollten Filme „eine Vorstellung von der Welt und eine Vorstellung vom Kino“ vermitteln. Mit der „mise en scene“ als weiterem Kampfbegiff attestierte man dieses neben Murnau, Renoir oder Rossellini ebenso vehement auch Hitchcock oder Hawks, obwohl diese meist nach fremden Drehbüchern arbeiteten.

Wie man sich fremdes Material auf kreative Weise zu Eigen macht, zeigt Godards Vivre sa vie von 1962: Nicht nur ist der aus zwölf klar voneinander abgesetzten Kapiteln bestehende Film mit Zitaten von Poe bis Dumas vollgepackt; Godard lässt auch seine Heldin Nana S. (Anna Karina) zehn Filmminuten lang im Kino Carl Theodor Dreyers La Passion de Jeanne d‘Arc ansehen. Die Tränen der auf dem Scheiterhaufen Verbrennenden lassen auch Nana weinen und ihr eigenes Schicksal erahnen.

Schön, dass Vivre sa vie in einer neuen OmU-Kopie zu sehen ist. Nicht zuletzt, weil darin endlich wieder das Kapitel „Nana und der Philosoph“ enthalten ist, das in der deutschen Fassung fehlt. Traute man dem deutschen Publikum ein Gespräch über die Einswerdung von Denken und Sprache, über richtiges Leben unter dessen unzureichenden Bedingungen und über die Irrtümer, die auch noch in der Wahrheit stecken können, nicht zu? Im Mai stehen Filme von Alexander Kluge und Leo Hurwitz auf dem Programm.

Eckhard Haschen

Vivre sa vie: morgen (mit Diskussion) + Mo, 28.4., je 21.15 Uhr, Metropolis